Verkehr: Hoffnung für Lärmgeplagte
Mehr Tempo-30-Zonen, mehr Radwege, Nachtfahrverbot für Lkws: Der neue Lärmminderungsplan ist ambitioniert, loben Umweltschützer. Die Frage ist nur, wann er Realität wird.
Was für ein Getöse: Autos bremsen, beschleunigen oder brettern im konstanten Rauschen vor der Haustür entlang. Zwischendrin schraubt eine vorbeiratternde Straßenbahn den Geräuschpegel ordentlich hoch. Am liebsten will man das Wohn- oder Schlafzimmerfenster nie mehr aufmachen.Wer jemals an einer vielbefahrenen Straße gewohnt hat, weiß, wie nervig Lärm sein kann.
Um Berlin ein Stück leiser zu machen, haben die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und die Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Donnerstag einen Lärmminderungsplan vorgestellt. Darin schlagen sie vor, innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre mehr Tempo-30-Zonen einzurichten und Straßen zugunsten von Radwegen und Parkplätzen umzubauen. Auch nächtliche Fahrverbote für Lastwagen und eine teilweise Umleitung des Verkehrs in weniger bewohnte Straßen seien denkbar. Auch denke man gemeinsam mit der Bahn über Lärmschutzwände entlang der Güterverkehrsstrecken nach. Der Plan soll Anfang 2009 in Kraft treten.
Als Hauptkrachmacher gilt den Senatorinnen der Verkehrslärm. "Rund 40 Prozent des Hauptstraßennetzes überschreiten die Schwellenwerte für Lärm in der Nacht", sagt Katrin Lompscher. "Circa 193.000 Menschen sind hohen Belastungen über 60 Dezibel ausgesetzt." In diesen Fällen müsse man handeln, um gesundheitliche Beeinträchtigungen zu vermeiden, so die Umweltsenatorin. Zudem trage Lärm zur sozialen Spaltung der Stadt bei, ergänzt Junge-Reyer: "Menschen, die es sich leisten können, ziehen lieber nicht in laute Wohngebiete."
Die Grünen im Abgeordnetenhaus zweifeln an der rot-roten Glaubwürdigkeit in Sachen Lärmschutz. Viele der jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen seien schon lange bekannt. "Sie stehen fast wortgleich im Stadtentwicklungsplan Verkehr und im Luftreinhalteplan von 2005", erklärt Felicitas Kubala, die umweltpolitische Sprecherin der Grünen. "Der rot-rote Senat flüchtet sich in viele kleine Modellprojekte", kritisiert Kubala. Die Grünen fordern den Senat auf, die Maßnahmen endlich auch umzusetzen. Der BUND begrüßt derweil "die Fortschritte in dem umfangreichen und gründlichen Planwerk", wie es in einer Presserklärung heißt. "Die Ausweitung der nächtlichen Tempo-30-Bereiche auf Hauptverkehrsstraßen sowie gezielte Umbauten von Straßen weisen in die richtige Richtung." Doch bis sich die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz mit ihren Vorschlägen durchsetze, werde wohl noch viel Überzeugungsarbeit nötig sein: "Der Ausbau von Straßen wird weiter im alten Stil geplant", so der BUND.
Der Senat bekommt den Lärmminderungsplan erst im Herbst zum Beschluss vorgelegt. Zunächst wird das ambitionierte Werk bis Mitte Juli öffentlich ausliegen und im Internet stehen, damit lärmgeplagte Bürger dazu Stellung nehmen können.
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