Verkehr: Autobahn durchs Moor
Bürgerinitiativen legen Alternativen zur Küstenautobahn A 22 vor. Sie finden, die vorhandenen Straßen reichten. Die Wirtschaft sieht die Strecke als Teil der Verbindung zwischen dem Baltikum und den Nordseehäfen.
Viele Menschen im Elbe-Weser-Dreieck wollen sich nicht damit abfinden, dass durch ihre menschenleere Heimat eine Autobahn gezogen wird. Um die so genannte Küstenautobahn zu verhindern, hat der Koordinationskreis der Bürgerinitiativen gegen die A 22 am Mittwoch ein Alternativkonzept vorgelegt. Die Initiativen bezweifeln, dass die Autobahn nötig ist. Für den Fall, dass der Verkehr doch stark wachsen sollte, schlagen sie vor, die vorhandenen Straßen, Gleise und Wasserwege auszubauen. Nur Bremervörde, mitten im Dreieck gelegen, könne eine neue Straße brauchen: eine seit 30 Jahren angedachte Ortsumgehung.
In dem moorigen Land zwischen Elbe und Weser soll eine erst noch entstehende Lücke im transeuropäischen Verkehrsnetz geschlossen werden: die zwischen einem künftigen Elbtunnel bei Glückstadt und dem Wesertunnel zwischen Bremen und Bremerhaven. Künftig könnten Laster in einem Rutsch von Russland die Ostseeküste entlang, im Bogen um Hamburg herum bis nach Bremerhaven, Wilhelmshaven oder Groningen durchrollen. Den Weg vom Elbtunnel bis Bremerhaven würde das um schätzungsweise 130 Kilometer abkürzen.
Neben Bremerhaven würde der geplante Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven auf kurzem Wege per Autobahn an eine internationale Magistrale angeschlossen. Die stark befahrene A 1, die zwischen Hamburg und Bremen gerade auf sechs Spuren ausgebaut wird, würde entlastet. Erst durch die A 22 wäre der Glückstädter Elbtunnel sinnvoll nutzbar, argumentierte das Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in einem Gutachten von 2003.
Die künftigen AnwohnerInnen der Autobahn fragen sich, ob das alles den Preis lohnt, den sie dafür zu bezahlen haben: mehr Verkehr und entsprechenden Schaden für das Klima, mehr Lärm, die Zerschneidung ihrer Landschaft. Also haben sie sich an eine Aufgabe gemacht, von der sie sagen, sie sei eigentlich Sache der Autobahnplaner: nach Alternativen zu suchen. Denn im Bundesverkehrswegeplan von 2003 steht die A 22 unter der Rubrik "weiterer Bedarf mit Planungsrecht und besonderem naturschutzfachlichem Planungsauftrag". Noch sei viel Bewegung in der Sache, sagt Initiativensprecher Uwe Schmidt. "Unsere Arbeit zahlt sich aus."
Die Initiativen bezweifeln, dass die Verkehrsprognosen, mit denen der Bau A 22 gerechtfertigt wird, plausibel sind. Sie berücksichtigten nicht, dass die Bevölkerung, insbesondere in Niedersachsen, schrumpfen werde und dass die Treibstoffkosten wohl steigen werden. Die vorhandenen Straßen, etwa die ausgebaute A 1, die Schienen und der Seeweg reichten für den Gütertransport aus.
Der geplante Jade-Weser-Port bei Wilhelmshaven benötige laut Planfeststellungsbeschluss keine zusätzlichen Kapazitäten im Straßennetz. Eine bessere Verbindung nach Nordosten sei unnötig, weil die meisten Güter aus den deutschen Seehäfen nach Südwesten abtransportiert würden. Um Verkehr zu vermeiden, solle der Wirtschaftskreislauf regionalisiert werden.
"Sollten sich wider Erwarten zukünftig Kapazitätsengpässe einstellen, fordern die Initiativen eindringlich die Prüfung umweltverträglicher Alternativen", heißt es in dem Papier.
Dazu schlagen sie konkret vor, das Schienennetz an einigen Stellen zu ertüchtigen und zu ergänzen. Die Lastwagen sollten durch eine Maut auf Bundes- und Landstraßen auf die Autobahnen gezwungen werden. Das Straßennetz solle örtlich begrenzt verbessert und durch einen besseren öffentlichen Nahverkehr entlastet werden. Schließlich solle geprüft werden, ob der Dortmund-Ems-Kanal und der Küsten-Kanal so ausgebaut werden könnten, dass darauf Schiffe mit drei Lagen Containern fahren können.
Willfried Allers, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bremerhaven plädiert ebenfalls für die Verbesserung der Schienen- und Wasserwege, sagt aber: "Alle Verkehrsträger müssen mehr machen." Sprich: Es gehe nicht ohne die A 22. "Wenn Sie zehn Prozent von der Straße runter holen, wären das auf der Schiene plus 40 Prozent", sagt er. Das Wirtschaftswachstum werde wieder anziehen, also auch der Transportbedarf. Und die deutschen Häfen würden zunehmend Ladung aus Skandinavien erhalten.
Aufgrund der Bedeutung der Seehäfen müsse der Bund eigentlich den Schwerpunkt seiner Infrastrukturaktivitäten nach Norddeutschland verlagern, findet Allers.
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