vor gericht: menschenhandel : Verkaufte Schwestern
Edvardas S. weist bei der Auftaktverhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten jede Schuld von sich. „Ich verkaufe doch nicht meine Schwestern“, behauptet der Angeklagte entrüstet – doch genau das wird ihm vorgeworfen. Der 30-jährige Litauer soll mitgeholfen haben, die jungen Frauen im Februar 2001 unter falschen Versprechungen nach Deutschland zu locken, wo sie dann zur Prostitution gezwungen worden seien.
„Schwerer Menschenhandel“, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. S. besteht aber darauf, selbst Opfer einer Täuschung geworden zu sein. Nach seiner Schilderung habe Zilvaras Sch., gegen den gesondert verhandelt wurde, die Schwestern in ihrem Heimatort Radviliskis in Litauen aufgesucht, um ihnen ein Arbeitsangebot als Tellerwäscherinnen in Deutschland zu unterbreiten. Sch. sei ihm unbekannt gewesen, habe aber S. seine Seriosität glaubwürdig versichert. Natürlich, so S., sei er misstrauisch gewesen und habe deswegen um Bedenkzeit für die Schwestern gebeten. Doch die beiden arbeitslosen jungen Frauen, damals 18 und 19 Jahre alt, seien bereits überzeugt gewesen.
Zusammen mit Sch. fuhren sie nach Berlin, wo sie von der Betreiberin eines Callgirlrings empfangen und über ihre Arbeitsbedingungen als Liebesdienerinnen unterrichtet wurden. Auf ihre verzweifelten Einwände hin hieß es, sie hätten „keine Wahl“. Die Pässe hatte man ihnen bereits abgenommen.
Warum S. den Schwestern nicht sofort half, als er von deren tatsächlicher Tätigkeit erfuhr, und wieso er weiterhin Kontakt zu Sch. unterhielt, ohne diesen anzuzeigen, konnte er nicht plausibel erklären. Polizeiliche Hilfe hätten seine Schwestern abgelehnt, damit die Eltern nichts erführen. Warum die jungen Frauen schließlich ihn, S., angezeigt hätten, könne er sich nicht erklären. Zum nächsten Prozesstermin am kommenden Freitag werden sie sich dazu äußern.
VERONIKA DE HAAS