Verkauf in Billigläden: Fair Trade in unfairer Hand
Zum Auftakt der bundesweiten Aktionstage "Faire Woche" entbrennt eine Diskussion darüber, ob Discounter Produkte aus fairem Handel anbieten sollen.
BERLIN taz | "Perspektiven schaffen - fair handeln!" - unter dieser Überschrift wurde am Montag in Berlin und Saarbrücken die "Faire Woche" ausgerufen. Zur Eröffnung der bundesweiten Aktionstage, mit denen Entwicklungsorganisationen und der Branchenverband Forum Fairer Handel bis zum 27. September auf die Wichtigkeit fair gehandelter Produkte aufmerksam machen, stiegen im Osten und Westen der Republik zeitgleich Tausend Luftballons in die Höhe. Ihre Botschaft: Durch fairen Handel kann Zukunft aktiv gestaltet werden.
"Der Faire Handel ist eine effektive Hilfe zur Selbsthilfe und ein wirkungsvolles Instrument der Armutsbekämpfung", betont Erich Stather, Staatssekretär des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das die Schirmherrschaft der im Rahmen der "Fairen Woche" etwa 3000 geplanten Veranstaltungent inne hat.
Sieben Millionen Bauern und Arbeiter profitieren nach Angaben der unabhängigen Label-Initiative Transfair weltweit vom fairen Handel, die Ausgaben für fair gehandelte Produkte in Deutschland seien im vergangenen Jahr pro Bundesbürger um 87 Cent auf 2,59 Euro gestiegen, so das Forum Fairer Handel.
"Fair gehandelte Produkte haben in den vergangenen Jahrzehnten ein sehr gutes Image aufgebaut und sind auch im klassischen Lebensmittelhandel erfolgreich", sagt auch Thomas Speck, Geschäftsführer des fairen Handelshauses Gepa. So sind die Zeiten, wo Fairtrade-Produkte nur im Eine-Welt-Laden erhältlich waren, längst vorbei: Machen diese inzwischen lediglich 10 Prozent aller verkauften Artikel aus, gehen knapp die Hälfte der fairen Produkte in Supermärkten und Discountern über die Ladentheke, rund ein Viertel in Naturkost-und Biogeschäften.
Zwischen Würstchen aus der Dose und Schokokeksen in der Rolle liegen bei Lidl bereits seit Jahren bunte Päckchen Leckereien mit Fair-Trade Siegel, Aldi führte im August gar eine eigene Fairtrade-Kaffeemarke ein: "One World" - Eine Welt. Nicht jeden allerdings freuen diese Entwicklungen: "Wir haben die Befürchtung, dass dadurch faire Produkte an Glaubwürdigkeit verlieren", so Speck. "Und Glaubwürdigkeit ist im fairen Handel das A und O."
Faire Produkte mit gutem Image auf der einen Seite, eine "Geiz ist geil"-Mentalität mit negativem Image auf der anderen, das passe einfach nicht zusammen. "Ein eindeutiges, klares Profil ist wichtig, damit der Faire Handel in der Verbraucherwahrnehmung nicht diffus wird," warnt Speck. Denn die Folgen eines Standardverlusts seien niedrigere Preise - und zwar vor allem für die Bauern und Handwerker in den Entwicklungskändern.
Damit entbrennt eine Diskussion über faire Ware in unfairer Hand, die hierzulande keineswegs zum ersten Mal geführt wird: Bereits 2006, als Lidl sich mit der Organisation Transfair über den Verkauf einzelner Artikel mit dem Fairtrade-Siegel verständigte, kam scharfe Kritik aus allen Reihen. Eine-Welt-Läden, das politische Netzwerk Attac und zahlreiche faire Handelsunternehmen kritisierten, dass Discounter, die für eine zweifelhafte Behandlung ihrer Mitarbeiter bekannt sind, ethisch korrekte Produkte anbieten dürfen.
Brigitte Binder vom Evangelischen Entwicklungsdienst allerdings hält dagegen: "Der Großteil der deutschen Bevölkerung kauft in Discountern ein". Deswegen sollten auch dort Eine-Welt-Produkte erhältlich sein; möglichst viele Menschen könnten so vom Kauf überzeugt werden.
Die Unternehmensmoral von Billigdiscountern sei zwar diskussionswürdig, doch das Fair-Trade-Siegel sage letztendlich nichts über den Laden aus, in dem es gekauft werde - und der Laden nichts über das Siegel. Binder: "Die Zertifizierungskette geht von der Pflanzung bis zur Röstung. Wenn der Kaffee in der Tüte ist, ist die Kontrollkette zu Ende".
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