: Verheißungsvolle Melodien
■ Der glamouröser Pop-Perfektionismus von Goldfrapp wartet auf adäquate Live-Umsetzung – Sonnabend im N+Klub
Schon seltsam, das. Wie sich manchmal alle darauf einigen können. Goldfrapp gehören zur Zeit neben den französischen Tanzmusik-Erneuerern Daft Punk und der kanadischen No Logo-Expertin Naomi Klein zu den ganz heißen Eisen, obwohl sie mit ihrem Debüt-Album Felt Mountain nun weiß Gott keine leicht konsumierbare Party veranstalten. Besinnlichkeit und Innehalten sind von Nöten, um dem Zauber dieser phantastischen Laborgeburt zu erliegen. Phantas-tisch wie ausgefallen, bizarr und gespenstisch.
Dabei war Sängerin Alison Goldfrapp lange Zeit zu schüchtern, um sich in die mannigfaltige Welt des Pop zu wagen. Erste Erfahrungen sammelte sie bei Orbital, Tricky und Add N To (X), denen sie ihre Stimme, die irgendwo zwischen Beth Gibbons, Kate Bush und Marlene Dietrich anzusiedeln ist, geliehen hat. Mehr aber auch nicht. Dazu brauchte sie schon so einen tiefgründigen Melancholiker wie Will Gregory. Der Rest der Geschichte ist einfach erzählt: Der studierte Pianist verdingte sich solange als TV-Musik-Produzent, bis er ihre Stimme hörte, die ihn fortan nicht mehr losließ. Natürlich wollte er sie kennenlernen. Aber vorsichtig. Sie sprachen zuerst viel miteinander und spielten sich dann gegenseitig ihre Lieblingslieder vor.
Das Ergebnis dieser Annäherung sind außerordentlich differenzierte Kompositionen. Sinnliche Vertonungen visueller Eindrücke, die bemerkenswerterweise ohne Beats auskommen. Kaltes Pathos liegt über den Songs, deren Innenleben voller Theatralik ist. Da geigt eine süße Violine, bevor der Synthesizer verrückt spielt und das Flügelhorn noch schnell ein feines Pfeifen hinterher sendet. Goldfrapp lieben die Kontraste genauso wie die Melodien. Die stehen im Zentrum ihrer Kunst. Von daher kommen die Vergleiche mit Sixties-Ikonen wie Scott Walker, Lee Hazlewood und Nancy Sinatra nicht von ungefähr. Und erzählen ebenfalls nur ein bisschen von der Wahrheit. Das englische Duo hat lediglich dem Zufall nichts überlassen. Jeder Ton und jedes gesungene Wort ergänzen sich perfekt.
Die Verheißungen von Felt Mountain haben sich auf der Konzertbühne bisher nicht bewahrheitet. Im ausverkauften Late-Night-Gig in Köln war kürzlich nichts zu spüren vom glamourösen Perfektionismus der Platte. Es regierte gepflegte Langeweile.
Selbst Sängerin Alison konnte das im Glitzeroberteil nicht verhindern. Erstaunlich war nur Olivia Newton-Johns „Physical“ als Zugabe. Doch wahrscheinlich ist der Wunsch nach Überraschung hier auch die falsche Erwartungshaltung. Denn am besten kann man zu Goldfrapps Musik vor allem eins: schöner wohnen. Und trotzdem wollte niemand verpassen, dass es eigentlich nichts zu verpassen gab. Thorsten Bathe
Sonnabend, 21 Uhr, Kampnagel/Klub N+K
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