Verhandlungen in Palästina: Zorn und Zeit
Der palästinensische Ministerpräsident Salam Fajad geht mit seinem Rücktritt auf die Hamas zu - und könnte bald wieder Premier werden. In Gaza wartet man vergeblich auf den Wiederaufbau.
Die Premiere: Im März 2007, eineinhalb Jahre nach dem überraschenden Wahlsieg der Hamas, einigten sich die palästinensischen Fraktionen zum ersten Mal auf eine Regierung der Nationalen Einheit. Zwölf der insgesamt 25 Ministerposten gingen an die Hamas, den Rest teilte sich die Fatah mit kleineren Fraktionen und einer Reihe von unabhängigen Politikern. Das Amt des Ministerpräsidenten besetzte Ismael Hanijeh von der Hamas.
Das Programm: Die Richtlinien der Regierung enthielten das Festhalten am Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge sowie das "legitime Recht des palästinensischen Volkes zum Widerstand". Weder die bisherigen zwischen der PLO und Israel unterzeichneten Abkommen noch eine Anerkennung des Staates Israel finden in der Plattform der Einheitsregierung Erwähnung.
Die Auflösung: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas löste die Einheitsregierung im Juni 2007 auf. Er reagierte damit auf die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas und schließlich die Übernahme des Gazastreifens durch die Hamas. Abbas rief den Notstand aus und entließ Hanijeh aus dem Amt des Premierministers. Das Parlament ist seither nicht mehr zusammengetreten. SK
Der palästinensische Ministerpräsident Salam Fajad gibt sich optimistisch. Um der künftigen Regierung der Nationalen Einheit den Weg frei zu räumen, kündigte er am Wochenende seinen Rücktritt an. Noch bis Ende des Monats, so hofft er, sollen die Verhandlungen der zerstrittenen Fraktionen Hamas und Fatah zu einer Versöhnung führen. Zwölf palästinensische Fraktionen nehmen an den Gesprächen in Kairo teil, die laut Plan bis zum 20. März dauern werden. Eine Einigung könnte zur Aufhebung der über den Gazastreifen verhängten Blockade führen. "Fajads Rücktritt unterstützt unsere Bemühungen um eine nationale Einheit", erklärte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.
Mit seiner Ankündigung, das Amt zu räumen, sobald eine Einigung erreicht ist, geht Fajad einen Schritt auf die Islamisten zu. Allerdings beharren die USA auf dem unabhängigen palästinensischen Wirtschaftsexperten, ohne den die künftige palästinensische Einheitsregierung nicht auf eine Anerkennung aus dem Weißen Haus bauen kann, wie US-Außenministerin Hillary Clinton vergangene Woche erklärte.
Bis zu einer Versöhnung der Fraktionen steht den Delegationen noch ein hindernisreicher Weg bevor. Die Erinnerung an die zahlreichen Toten auf beiden Seiten, die bei den Kämpfen im Gazastreifen ihr Leben ließen, schafft tiefen Zorn und Misstrauen. Angehörige der Hamas-Sicherheitstruppen hatten während der Kämpfe vor zwei Jahren Fatah-Leute auf offener Straße erschossen. Männer wurden von Häuserdächern gestoßen, andere lebendig verbrannt.
Auf der Agenda des Versöhnungsdialogs steht die Befreiung der politischen Gefangenen im Westjordanland und im Gazastreifen. Anschließend müssen die unverändert bestehenden ideologischen Differenzen überbrückt werden. Noch vor Beginn der Verhandlungen über die Regierungsrichtlinien stellte Palästinenserpräsident Abbas fest, dass eine Einheitsregierung der Zweistaatenlösung verpflichtet sein müsse. Die Forderung nach einer Anerkennung Israels lehnen die Islamisten unverändert ab. Die Hamas macht umgekehrt Reformen des Regierungs- und des Sicherheitsapparates zur Bedingung. Ausgangspunkt der Konflikte zwischen beiden Fraktionen war die Weigerung der Fatah, die Kontrolle nach der Wahlniederlage abzugeben.
Beide Seiten stehen unter Erfolgsdruck. Die Menschen im Gazastreifen warten seit sechs Wochen auf den Beginn des Wiederaufbaus ihrer zerstörten Häuser. Die internationale Gemeinschaft entschied über finanzielle Hilfe in Höhe von fünf Milliarden Dollar, von der der Großteil in den Wiederaufbau Gazas gesteckt werden soll, ohne jedoch durch die Kanäle der Hamas zu fließen. Schon vor der Geberkonferenz hatte die Arabische Liga gut eine Milliarde US-Dollar bereitgestellt, die Überweisung jedoch aufgrund der innerpalästinensischen Differenzen verzögert.
Die Regierung in Kairo, die zwischen den Fraktionen vermittelt, setzt auf politische Daumenschrauben. Der Übergang in der Grenzstadt Rafah, so lautet die erklärte Absicht Ägyptens, wird erst dann wieder geöffnet, wenn die Präsidentschaftsgarde von Abbas die Kontrolle auf palästinensischer Seite übernimmt. So schreibt es ein früheres internationales Abkommen vor.
Problematisch für die Fatah ist ihr begrenzter Handlungsspielraum. Abbas kann sich nur bedingt auf die Hamas zubewegen, will er die internationale Unterstützung nicht riskieren. Erst nach dem Scheitern der Einheitsregierung im Juni vor zwei Jahren hatte die Regierung in Jerusalem die Friedensverhandlungen wiederaufgenommen. Gleichzeitig wurden die damals von Israel einbehaltenen Zoll- und Steuereinnahmen schrittweise freigegeben.
Auch die USA und Europa dürften mit der Überweisung der Aufbaugelder zögern, wenn sich eine Regierung abzeichnet, die mehrheitlich weiter auf Konfrontation mit Israel setzt. Einen Ausweg könnte ein Kabinett bieten, das sich nicht aus Fraktionspolitikern, sondern aus Technokraten zusammensetzt. Diese könnten unter der Führung von Fajad versuchen, die Agenda der künftigen Einheitsregierung voranzutreiben. Der parteienunabhängige noch amtierende Premierminister genießt im Westen hohes Ansehen. In seiner früheren Funktion als Finanzminister konzentrierte er sich auf den Kampf gegen die Korruption und mehr Transparenz in der palästinensischen Wirtschaft.
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