: Vergessener Aufbruch
KUNSTGESCHICHTE Die Ausstellung „Der zweite Aufbruch in die Moderne“ zeigt in Oldenburg den vergessenen Aufbruch des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte in die Avantgarde
Den Impuls der Moderne in die nordwestdeutsche Provinz tragen wollte der Kunsthistoriker, Sammler und Publizist Walter Müller-Wulckow als „Lehrer für den guten Geschmack“ vor rund 90 Jahren mit der Gründung des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte: bereits kurz nach der Eröffnung des Museums 1923 zeigte eine „Galerie der Gegenwart“ Werke der Brücke-Expressionisten Heckel und Schmidt-Rottluff und Landschaften Max Beckmanns und Franz Radziwills, dazu kamen in den folgenden Jahren Überblicksschauen zur „Grafik der Gegenwart“ oder zur „Malerei unserer Zeit“. Als einer der ersten Museumsleiter ging Müller-Wulckow dabei auch über den Expressionismus hinaus und präsentierte Fotografien der Neuen Sachlichkeit oder Bauhaus-Stahlrohrmöbel, bis der – ansonsten durchaus „völkisch“ denkende Kunsthistoriker – 1933 von den Nationalsozialisten entlassen und durch seinen Assistenten Werner Meinhof, den Vater der späteren RAF-Mitgründerin, ersetzt wurde.
Bis Ende Januar erinnert nun die Ausstellung „Der zweite Aufbruch in die Moderne. Expressionismus – Bauhaus – Neue Sachlichkeit“ an das Engagement Müller-Wulckows und den vergessenen Aufbruch des Landesmuseums in die Avantgarde. Zu sehen sind dabei über 250 zum großen Teil unpublizierte Werke, darunter drei Bilder Heinrich Ehmsens, Ernst Ludwig Kirchners und Christian Rohlfs, die seit der Beschlagnahme durch die nationalsozialistische Reichskammer der bildenden Künste 1937 erstmals wieder öffentlich zu sehen sind.
Zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zu sehen sind in der Ausstellung auch einige der wenigen verbliebenen Werke aus der einst reichen Müller-Wulckow’schen Privatsammlung: Temperablätter von Christian Rohlfs, Gouachen August Babbergers und der zinnoberrote Holzschnitt „Tanzende Frauen“ von Martel Schwichtenberg. MATT
■ Oldenburg: So, 25. 9. bis 29. 1. 2012, Di – So 10 – 1 Uhr, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Damm 1