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Verführung zur Währungsschlange

Konferenz der EU-Finanzminister und Notenbankchefs in Verona: Ein neues Währungssystem soll einen Abwertungswettlauf gegen die geplante Eurowährung verhindern  ■ Aus Brüssel Christian Rath

Europa bereitet sich auf eine Währungsunion mit wenigen Teilnehmern vor. Immer wichtiger wird daher die Frage, wie das Verhältnis zwischen der neuen Gemeinschaftswährung „Euro“ und den Währungen der übrigen EU- Länder aussehen soll. Am Samstag diskutierten in Verona die Finanzminister und Notenbankchefs der 15 EU-Mitgliedsstaaten über eine Umgestaltung des Europäischen Währungssystems (EWS).

Die neue Währungsarchitektur, „EWS II“ genannt, soll verhindern, daß Wechselkursschwankungen der Outsider-Währungen das Funktionieren des Binnenmarkts belasten. Denn nur wenn auch außerhalb der geplanten Währungsunion Stabilität besteht, können deren Vorteile zum Tragen kommen. Außerdem wird befürchtet, daß die „Outs“ versuchen, sich dadurch Exportvorteile zu erschleichen, indem sie ihre Währungen gezielt abwerten.

Der in Verona diskutierte Vorschlag sieht daher vor, daß die Outsider-Währungen gegenüber dem Euro nur um einen bestimmten Prozentsatz schwanken dürfen. Drohen die Wechselkurse diese Toleranzgrenze zu erreichen, müßten die Zentralbanken intervenieren. EWS II ähnelt stark dem 1978 von Helmut Schmid und Giscard d'Estaing ausgeheckten ersten EWS. Nur ist bisher der Maßstab, die European Currency Unit (ECU), eine künstliche Einheit, die aus einem gewichteten Durchschnitt der beteiligten Währungen berechnet wird. Im EWS II dagegen steht mit dem Euro eine echte Währung als Anker zur Verfügung. In Verona äußerten sich Großbritannien, Schweden und Finnland kritisch gegenüber diesem vor allem von Deutschland und Frankreich forcierten Modell. Bis zum EU-Gipfel in Florenz Anfang Juni wird sich zeigen, ob sie das EWS II zu Fall bringen oder nur eine Teilnahmepflicht verhindern wollen.

„Niemand kann uns zwingen, an einem neuen EWS teilzunehmen“, erklärte der britische Schatzkanzler Kenneth Clarke. Seit der letzten EWS-Krise im Sommer 1993 hat sich London bereits außerhalb der Währungsschlange positioniert. Clarks massive Ablehnung des Nachfolgemodells dürfte allerdings eher taktische Gründe haben. Vor dem geplanten britischen Referendum will der Schatzkanzler und offene Befürworter einer Währungsunion nicht den Eindruck erwecken, als sei die Regierung bereits festgelegt.

Der Maastrichter Vertrag sieht allerdings vor, daß nur solche Staaten in die Währungsunion eintreten dürfen, die zuvor zwei Jahre erfolgreich am EWS teilgenommen haben. Darauf wies Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer nachdrücklich hin – je später die Briten ins Währungssystem zurückkehren, desto später können sie der Währungsunion beitreten.

Zweiter Schwerpunkt in Verona war der von Finanzminister Theo Waigel vor einigen Monaten vorgeschlagene Stabilitätspakt. Er soll verhindern, daß sich Staaten bis zum Eintritt in die Währungsunion haushaltspolitisch zusammenreißen, um anschließend die Zügel schleifen zu lassen. Die Zielsetzung Waigels wurde zwar akzeptiert. Doch stehen die Deutschen nach wie vor mit dem Vorschlag allein, daß ein dreiprozentiges Überziehen des Haushaltes automatisch zu Bußgeldern in Milliardenhöhe führt.

Obwohl das Finanzminister- Treffen als „inoffiziell“ bezeichnet wurde, faßten die fünfzehn Kassenwalter auch einen publicityträchtigen Beschluß. Die Münzen der neuen Euro-Währung wurden „Cent“ getauft – „auszusprechen englisch oder niederländisch, nicht aber französisch“. Auf einer Seite sollen die neuen Münzen einheitlich gestaltet werden, auf der anderen mit nationalen Symbolen und „herausragenden Persönlichkeiten der Geschichte“ – Schatzkanzler Clark brachte sofort die britische Königin ins Spiel...

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