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Verflechtung zwischen Politik und IndustrieDie Macht der Gentech-Lobby in der EU

Eine Mehrheit der EU-Bürger will keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel essen. Doch die Beziehungen der Industrie zur EU sind bestens.

Die Genlobby zeigt in Europa erfolgreich ihre Zähne. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Gentech-Industrie hat es schwer in Europa. 54 Prozent der EU-Bürger wollen keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel essen, heißt es in einer aktuellen "Eurobarometer"-Umfrage der Europäischen Kommission. Dennoch haben Chemiekonzerne wie BASF, Monsanto und Bayer die Macht auf ihrer Seite: Wenn sie für gentechnisch veränderten Mais eine Zulassung in der EU haben wollen, haben sie bisher immer Unterstützung von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) bekommen.

Die Gutachten der Behörde mit Sitz im italienischen Parma haben in der EU großes Gewicht. Ihre 400 Mitarbeiter steuern ein Netz von mehr als 1.500 externen Wissenschaftlern, die die Gentech-Pflanzen oder andere Lebensmittel im Auftrag der Efsa auf Risiken für Mensch und Umwelt überprüfen. Die EU-Kommission folgt meistens der Einschätzung der Experten. Rund 40 Gentech-Organismen hat die Kommission auf dieser Grundlage bereits zugelassen. Die meisten - etwa Soja- und Rapssorten - nur für den Import als Nahrungs- oder Futtermittel, aber zwei - ein Mais von Monsanto und eine Kartoffel von BASF - auch für den Anbau in Europa.

Doch Kritiker wie die NGO Testbiotech oder die Grünen-Fraktion im Europa-Parlament werfen der Efsa vor, zu eng mit der Industrie verflochten zu sein. Das machen sie zum Beispiel an Harry Kuiper fest. Der Holländer leitet den Ausschuss der Efsa, der die Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere überprüft. Auch arbeitet er eigenen Angaben zufolge für das überwiegend von der Industrie finanzierte International Life Sciences Institute (Ilsi).

Kuiper ist nicht der einzige industrienahe Beschäftigte der Efsa. Auch Gijs Kleter, einer seiner Mitarbeiter im Prüfungsgremium, hat der EU-Behörde zufolge von 2002 bis 2007 für das Ilsi gearbeitet. Im Gegensatz zu Kuiper hat er diese Tätigkeit aufgegeben, bevor er 2009 bei der Efsa als Gutachter anfing. Die Verwaltungsratspräsidentin der Behörde, Diána Bánáti, trat von ihrem Posten im Verwaltungsrat von Ilsi Europe erst nach Medienberichten im Oktober zurück.

Die britische Toxikologin Susan Barlow war Spiegel Online zufolge für das Ilsi und den europäischen Chemieverband Cefic tätig. Damals befand das zuständige Efsa-Gremium gerade, dass die umstrittene Chemikalie Bisphenol A unbedenklich sei. Dabei steht der hormonell wirkende Stoff laut Umweltverbänden in dem Verdacht, unfruchtbar zu machen.

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10 Kommentare

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  • R
    Rantanplan

    So ein Quatsch. Gutmenschen *tss tss tss*. Die TAZ ist ein Kampfblatt der Bessermenschen, um den Schlechtmenschen wenigstens etwas Vernunft entgegenzusetzen.

  • V
    vantast

    Betrifft leider nicht nur die Gentechnik, die Lebensmittelindustrie hat auch unsere Politiker im Griff, deren Verhalten ist entsprechend lieb zu den Konzernen und gemein zu den Verbrauchern. Nicht einmal die Ampel ließ sich durchsetzen, nun braucht man ein Chemiestudium, um zu sehen, was für Mist verkauft wird. Am besten kauft man sich nur die unbehandelten Grundnahrungsmittel und macht sich seine Mahlzeit selbst.

  • R
    rauhfuß

    Das ist das berühmte Drehtürprinzip, das die Gentechkonzerne in den USA schon seit Jahren praktizieren: aus Führungsetagen der Konzerne und aus abhängigen Forschungsinstituten wechselt man alle paar Jahre in eine Aufsichtsbehörde wie die EPA und ein paar Jahre später in einen gut bezahlten Posten zurück. So entstehen intime Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik, die für Gefälligkeiten und Abhängigkeiten zugunsten des Gentechprofits sorgen.

     

    Gegen die kritische europäische Bevölkerung haben die Gentechkonzerne nun auch langsam die europäischen Kontrollbehörden infiltriert, um mit den selben Methoden hier zu ihren Zulassungen und ihrem Profit zu kommen.

     

    PS: Nur falls es irgendeinen Statistiker interessiert: ich will keine GVOs, weder auf dem Teller, noch in der Natur!

  • B
    Biohonig

    Keiner braucht diesen Gendreck, geschweige denn will ihn essen oder mit ihm ernährte Lebewesen. Dass die "Eurobarometer-Umfrage der Europäischen Kommission" angeblich nur auf 54% Ablehnung kommt, sagt viel über deren Seriosität aus, die gegen Null tendieren dürfte.

  • TH
    Thorsten Haupts

    Dem Artikel strikt folgend sind also 4 von 400 Mitarbeitern (1%) in der Industrie beschäftigt. Für die alarmierende "Die Macht der ... Lobby" Überschrift ist die Beleglage mit ziemlich dünn allerdings noch höflich umschrieben.

  • HD
    happy DNA

    Woher kommt denn bitte die Zahl 54 % ?

    Ich kenne NIEMAND der/die Genfraß auf den Teller möchte! Ein EU-weites Plebiszit mit der einfachen Frage "Wollt Ihr das Zeug essen, egal in welcher Form, ja oder nein ?" ist längst überfällig.

    Diese Frage ist, da sie uns alle betrifft und so grundlegend ist, DAS Paradebeispiel für eine Volksabstimmung. Und meine Ergebnisprognose lautet:

    99 % NEIN ! Wetten ?

  • I
    Isnogod

    Ist es den nicht möglich diese offensichtlichen Mitarbeiter der Gentech-Industrie wegen Befangenheit aus den Gremien rauszuklagen ?

  • B
    BleedRanner

    Es kommt immer gut, einen Artikel mit unbewießenen Behauptungen zu beginnen. Woher wissen Sie, dass die Mehrheit der EU- Bürger keine gentechnisch veränderten Lebensmittel essen will?

  • J
    Juochen

    Schreibt die TAZ auch mal nen Artikel über die Solar-Lobby und deren Verflechtung in der Politik?!

     

    NEIN, natürlich nicht, denn die TAZ ist ja ein Kampfblatt und Propaganda-Maschine der Gutmenschen ;-)

  • K
    Koch

    Haben wir nicht solche Seilschaften in allen Bereichen und Strukturen der Politk? Es fängt bei dem "Fressen & Saufen auf dem Dorf" doch schon an und zieht sich durch bis in die Machtstrukturen der EU. Nicht "Folgsame" werden ausgemerzt. Es gibt für die Menschen in Europa nur die Chance einer größeren Tranzparenz und Bteiligung an der Entscheidungsfindung, wenn sie selber aktiv werden und sich nicht mehr alles nur noch überstülpen lassen. Schaun wir über unseren Tellerrand;

    Es ist an der Zeit wach zu werden.