Verfehlte Postkartenaktion: Kalt erwischt

Die linke Hamburger Netzinitiative zitierte bei einer Postkartenaktion Nazi-Propaganda, ohne es zu merken. Gemerkt hat es ausgerechnet ein Promi aus dem CDU-Lager.

Ein Motiv wie im "Stürmer": Die Postkarte der Netzinitiative. Bild: Foto: Archiv

HAMBURG taz | Eigentlich lief es zuletzt bestens für die Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“. In ihrem Kampf gegen die Verträge, die der Hamburger Senat mit den Energiekonzernen Eon und Vattenfall abzuschließen gedenkt, gab es Ende vergangener Woche Rückenwind. Die Netzinitiative hätte mit breiter Brust in die neue Woche starten können – wäre da nicht die Sache mit der Postkartenaktion. „Das hat uns kalt erwischt“, sagt Manfred Braasch vom BUND Hamburg.

Zur Netzinitiative gehören neben dem BUND unter anderem die Verbraucherzentrale, Attac, Robin Wood und der Arbeitsbereich Diakonie und Bildung des Kirchenkreises Hamburg-Ost an. Vergangene Woche verteilte die Initiative Postkarten, deren Motividee samt grafischer Umsetzung Analogien zu einer antisemitischen Zeichnung aufweist, die 1930 in dem NSDAP-Hetzblatt Der Stürmer erschienen ist. Beide Zeichnungen zeigen Spinnen, die eine Stellvertreterfunktion übernehmen: Während die Spinne in der Stürmer-Grafik für das jüdische Volk steht, das die Deutschen „aussaugt“, stehen die Spinnen in der Zeichnung der Netzinitiative für die Konzerne Vattenfall und Eon, die sich über die Stadt Hamburg hermachen. Beide Zeichnungen verfolgen das gleiche Ziel, nämlich die Diffamierung eines politischen Feindes zu einem Ungeziefer und Aggressor.

Die Analogie zwischen den Zeichnungen recherchierte am Wochenende ausgerechnet der parteilose Bürgerschaftabgeordnete Walter Scheuerl, der für die CDU in der Bürgerschaft sitzt und als Verhinderer der Hamburger Schulreform für viele Leute aus dem linken Spektrum ein rotes Tuch ist. Scheuerl gab an, er habe die beiden Begriffe „Spinne“ und „Karikatur“ gegoogelt und sei so auf die Nazi-Grafik gestoßen. Am Montagmorgen wandte er sich an die Medien und verwies unter anderem darauf, wie die acht Spinnenbeine dargestellt sind: Die Zeichner der Netzinitiative, so sein Schluss, hätten alle wesentlichen Details aus der Propaganda-Zeichnung übernommen.

Der Hamburger Senat will jeweils 25,1 Prozent der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme von Eon und Vattenfall zurückkaufen, um seine "strategischen Ziele" bei der Energieversorgung zu erreichen.

Die Initiative will, dass die Stadt die Netze zu 100 Prozent kauft, um wirklich Einfluss zu haben.

Scheuerl wollte der Initiative zwar keine rechte Gesinnung vorwerfen, forderte die Verantwortlichen aber auf, „diese Spinnen-Kampagne umgehend zu stoppen“. Das geschah auch, und zwar tatsächlich umgehend: Keine zwei Stunden später teilte die Netzinitiative mit, man habe die Postkartenaktion gestoppt und bedauere die Ähnlichkeiten. Die NS-Propagandazeichnung „war uns nicht bekannt und wir distanzieren uns von jeder Nähe zu diesem Gedankengut“, schrieben die drei Vertrauenspersonen der Netzinitiative Manfred Braasch (BUND), Theo Christiansen (Kirchenkreis Hamburg-Ost) und Günter Hörmann (Verbraucherzentrale).

Wie aber konnte es zu den tatsächlich augenfälligen Analogien kommen? „Wir haben uns das Motiv ausgedacht und einen Grafiker gebeten, Vorschläge für die Umsetzung zu machen“, sagt Braasch. „Das ist dann dabei herausgekommen und wir haben es nicht abgeprüft.“ Der Grafiker, sagt Braasch, habe versichert, dass er die Zeichnung aus der Nazizeit auch nicht kannte. „Aber wir müssen jetzt die Parallelitäten klären.“

Gedruckt hat die Initiative die Postkarte in einer Auflage von 10.000 Stück, rausgegangen seien bisher zwei- bis dreihundert, sagt Braasch. Schon bevor die Analogie zur Stürmer-Grafik bemerkt wurde, kritisierte die Gewerkschaft Ver.di das Motiv als beleidigend. Braasch sagt: „Wir wollen jetzt die Sacharbeit fortführen. Die Anhörung in der Bürgerschaft letzte Woche hat viel Stoff geliefert.“

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