Verfassungsreform in Frankreich: Hollandes Pläne scheitern
Die Aberkennung der Staatsangehörigkeit für „Terroristen“ ist nicht mehrheitsfähig. Die Sozialisten haben sich selbst geschwächt.
Mit seiner Vorlage wollte er die Verhängung von Notstandsgesetzen zum Kampf gegen den Terrorismus in der Verfassung verankern. Darin sollte auch die Aberkennung der französischen Staatszugehörigkeit für verurteilte Terroristen und eventuell auch andere Straftäter legalisiert werden.
Vor allem Letzteres war schnell auf große Ablehnung gestoßen, zuerst links, dann auch bis weit ins bürgerliche Lager hinein. Für eine Verfassungsänderung bedarf es entweder einer Volksabstimmung bei einem sogenannten Referendum oder einer komplizierten parlamentarischen Prozedur, bei der am Ende die zum Kongress in Versailles vereinten Parlamentskammern (Nationalversammlung und Senat) ihre Zustimmung geben müssen. Dabei ist eine qualifizierte Kongressmehrheit von drei Fünfteln erforderlich. Davon aber war Hollande in dieser Revisionsdebatte weit entfernt.
Als Hollande den Verlust der Staatsbürgerschaft für Terroristen gleich nach den Pariser Attentaten vom 13. November 2015 ankündigte, erhielt er Applaus von links und rechts. Doch schon in der ersten Abstimmung in der Nationalversammlung versagte ihm eine beachtliche Minderheit der eigenen sozialistischen Abgeordneten die Gefolgschaft.
Die Justizministerin Christiane Taubira war im vergangenen Januar sogar zurückgetreten. Und anders als erwartet wollte auch ein Teil der Opposition – sei es aus grundsätzlicher Ablehnung der Maßnahme oder aus taktischen Überlegungen – nicht mitmachen.
Gegen die Schaffung von Staatenlosen
Da mit dem Entzug der Staatszugehörigkeit auch „Staatenlose“ geschaffen würden, stieß Hollandes Plan auf zunehmende Ablehnung. Der Senat, in dem die Linksregierung nicht über eine Mehrheit verfügt, änderte darum die Revisionsvorlage in diesem Sinne ab und verbot explizit die Schaffung von Staatenlosen.
Damit aber der Kongress zu einer Abstimmung über eine Verfassungsänderung zusammentreten kann, müsste vorher von den beiden Kammern je ein exakt gleich lautender Text verabschiedet werden. Ein Kompromiss war nicht möglich.
Die regierenden Sozialisten haben sich in dieser Polemik über die Notstandsgesetze nachhaltig zerstritten. Der Parteichef der Sozialisten, Jean-Christoph Cambadélis, bat die Franzosen um „Entschuldigung“ für dieses „triste“ Spektakel. Die Verantwortung weist er der parlamentarischen Rechten zu, die eine Einheit im Kampf gegen den Terrorismus unmöglich gemacht habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku