Vereitelte Durchsuchung: Kripo auf Kollisionskurs
Polizisten wollten auf die Telefondaten einer Redakteurin des "Weser-Kurier" zugreifen und ihr Büro durchsuchen. Doch die Staatsanwaltschaft in Verden lehnte ab.
BREMEN taz | Sie wollten alle Telefondaten einer Journalistin und die Durchsuchung ihres Büros: Zwei hochrangige Polizisten aus Verden wünschten sich das ganze große Programm, um ein Leck in den eigenen Reihen aufzuspüren. Hinweise darauf wollten sie bei Christine Kröger finden, Redakteurin beim Bremer Weser-Kurier.
Sie schrieb über eine Mord-Ermittlung der Verdener, konnte die internen Polizei-Akten einsehen und fand darin mögliche Fehler der Ermittler, über die sie berichtete.
Die beiden Beamten der Polizeiinspektion Uwe Jordan und Martin Erftenbeck gingen im Februar 2009 mit diesem Wünschen zur Staatsanwaltschaft - und holten sich eine Abfuhr. Die Staatsanwälte notierten sich das Begehren in einem Vermerk, über den der Weser Kurier am Samstag berichtete.
So sei es den beiden Beamten auch um "ein Signal" gegangen. Außerdem hätte die Polizisten interessiert, was die Journalistin "sonst so treibt". Die Staatsanwälte beriefen sich bei ihrer Ablehnung auf Grundsatzurteile - auch vom Bundesverfassungsgericht - und forderten die Polizisten auf, die "Ermittlungen lauter zu führen".
Christine Kröger ist eine renommierte Journalistin, sie leitet das Recherche-Ressort des Weser Kurier. Sie sagt: "Es hat mich entsetzt zu sehen, dass es die vordringlichste Sache der beiden Polizisten war rauszubekommen, wie ich an die Informationen gekommen bin, anstatt sich erst einmal darum zu kümmern, wie man eine mögliche Ermittlungspanne in Zukunft verhindern kann."
Der Weser-Kurier gab parallel zu den Berichten über den Vermerk aus Verden eine Veränderung im eigenen Haus bekannt.
Chefin eines neuen Ressorts für Recherche und Ausbildung ist Christine Kröger, bereits zuvor Ressortleiterin Recherche. In dem Ressort arbeiten zwei Redakteure.
Über die eigenen Strukturen sagt der hauseigene Verlag sonst nicht viel.
Andere Medien berichteten über seine Spar-Maßnahmen, etwa den Ausstieg aus dem Tarifvertrag und das Auslagern von Redaktionen.
Kröger ist froh, dass die Staatsanwälte die Polizisten gebremst haben, sagt aber auch: "Es sind nicht alle Staatsanwälte solche Kämpfer für die Pressefreiheit." Sie habe bei der gleichen Behörde schon ein Vermerk eines Juristen gesehen, der sich damit brüstete, "die Presse klein gehalten" zu haben.
Der zuständige Oberstaatsanwalt Helmut Trentmann aus Verden findet nichts Schlimmes an dem Vorgehen der Polizei. "Wenn die Polizei in diesem Zusammenhang den Rat der Staatsanwaltschaft sucht, ob und wie die undichte Stelle im Ermittlungsverfahren festgestellt werden kann, so ist das nicht zu beanstanden, sondern zu begrüßen", schreibt er in einer Stellungnahme. Das Ergebnis sei gewesen, nicht bei der Presse zu ermitteln.
Das niedersächsische Innenministerium will sich nicht äußern und verweist auf die Polizeidirektion Oldenburg. Die verweist auf ihren Strafverfolgungszwang - den Verdacht auf Straftaten habe es in dem Fall bei Polizisten, Journalisten und anderen gegeben. Die Pressefreiheit habe "eine besonders hohe Bedeutung in der Polizeidirektion".
Die Linke im niedersächsischen Landtag will den Vorgang zum Thema machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“