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Vereinter Druck gegen die Tamilen–Guerilla

■ Massenverhaftungen in Südindien / Tamilen–Dörfer an der Ost–Küste Sri Lankas bombardiert / Rechte Opposition versucht Verhandlungen zu torpedieren

Von Walter Keller

Mehrere hundert militante Tamilen, die den verschiedenen lankanischen Guerillaorganisationen angehören, sind am Wochenende im indischen Bundesstaat Tamil Nadu bei einer Blitzaktion der Polizei verhaftet worden. Es war die erste Aktion dieses Umfangs der südindischen Behörden, die bisher den Separatisten aus dem Nachbarstaat großzügig Aufnahme gewährt hatten. „Das ist eine erste Warnung sich an unsere Gesetze zu halten“, verkündete der Chefminister des Bundesstaates, der bisher für die Guerilla viel Sympathie gezeigt hatte. Welche Gesetze übertreten wurden, brachte M.G. Ramachandran zwar nicht zum Ausdruck. Ob nun zufällig oder kalkuliert, fällt die Verhaftungswelle doch mit der Ankunft des lankanischen Präsidenten Jayewardene in Indien zuammen. Er hält sich derzeit in der südindischen Stadt Bangalore auf, um an der Konferenz der südasiatischen Staatengemeinschaft (SAARC) teilzunehmen, auf der es auch zu bilateralen Gesprächen mit Indiens Premier Gandhi kommen soll, um Möglichkeiten für die lange geplante dritte Verhandlungsrunde über die Lösung des Tamilen–Konflikts in Sri Lanka zu erörtern. Die ersten beiden Runden hatten im Juli und August in Colombo stattgefunden, durch schlagende Ergebnisse konnten dabei jedoch nicht erzielt werden, da Vertreter der tamilischen Guerilla von den Gesprächen ausgeschlossen worden waren. Die tamilische Bevölkerung wurde durch die ehemals einflußreiche moderate TULF vertreten, deren Politiker anschließend von den Militanten beschuldigt wurden, einen Kuhhandel eingehen zu wollen. Die Angebote der lankanischen Regierung zur Lösung des Konfliktes (größere Autonomie für die tamilischen Gebiete, Bildung von Provinzräten) sollten deshalb in einer dritten Verhandlungsrunde auch unter Einschluß der Vertreter der militanten Tamilen erörtert werden. Diese lehnten jedoch kürzlich ihre Teilnahme an Verhandlungen ab und bezeichneten das Angebot der Regierung in Colombo als nicht ausreichend. Indien, das seit langer Zeit versucht, im Konflikt zu vermitteln, bedauerte diese Erklärungen natürlich, versicherte aber, man wolle keinen Druck auf die im Land ansässige Guerilla ausüben. Die Verhaftungswelle am letzten Wochenende läßt daran allerdings Zweifel aufkommen. Ist Colombo an einer Lösung nicht interessiert? Hunderte von jugendlichen Tamilen wurden in den letzten Wochen verhaftet und „zur Überprüfung“ in die gefürchteten Gefängnisse von Welikada und Boosa gebracht, Dörfer an der Ostküste wurden aus der Luft bombardiert, zahlreiche tamilische Zivilisten kamen ums Leben. Die von Jayewardene im August angekündigte administrative Eigenständigkeit der tamilischen Gebiete dagegen liegt wieder in weiter Ferne. „Bevor die Terroristen (gemeint sind die tamilischen Guerillagruppen) nicht ihre Waffen niedergelegt haben und sich für die Erhaltung eines ungeteilten Sri Lanka aussprechen, wird es zu keiner Dezentralisierung der Macht kommen“, hat das mittlerweile 80jährige Staatsoberhaupt verkündet. Die Guerillagruppen ihrerseits machen den Abzug der Streitkräfte aus den tamilischen Gebieten zur Vorbedingung für ein Einlenken in inhaltlichen Fragen. Opposition von rechts Unterdessen versucht die Partei der ehemaligen Premierministerin Bandaranaike, (SLFP), zusammen mit anderen Oppositionsgruppen die Absichten der Regierung von rechts zu torpedieren. Kaum ein Tag, an dem sie nicht an die singhalesische Öffentlichkeit appelliert, den „Untergang der singhalesischen Rasse durch Zugeständnisse an die Tamilen“ zu stoppen. Unterstützt wird Frau Bandaranaike bei dieser rassistisch–chauvinistischen Propaganda von der Mehrheit des buddhistischen Klerus. Anders als in anderen buddhistischen Ländern haben die etwa 17.000 lankanischen Mönche auch heute noch erheblichen politischen Einfluß. Die Speerspitze der derzeit laufenden Kampagne ist die „Organisation zur Rettung und Verteidigung des Vaterlandes“, der die SLFP von Bandaranaike nicht formell angehört, die sie aber unterstützt. Auf den Veranstaltungen der „Vaterlandsfreunde“ treten Gestalten wie Dr. Neville Fernando auf, ein Altpolitiker , der 1981 aus der Regierungspartei ausgeschlossen wurde, weil er öffentlich die Exekution des bürgerlichen Tamilenführers Amirthalingam forderte. Und auch der Abgeordnete und ehemalige Industrieminister Cyril Mathew, der als Drahtzieher der Tamilenpogrome von 1983 gilt, hat jetzt für seine Haßtiraden ein neues Forum gefunden. Mittlerweile sympathisieren schon eine Reihe von weiteren Mitgliedern der Regierungspartei mit der Organisation und Bandaranaike und Co appellieren mit massiven Kampagnen (und oft auch Einschüchterungsversuchen) an den Patriotismus der noch unentschlossenen Abgeordneten, wenn sie diese auffordern, den vorsichtigen Reformvorschlägen des Präsidenten die Unterstützung zu entziehen. Die Regierung empfindet die neue Opposition von rechts offenbar schon als so bedrohlich, daß sie jetzt ein altes, aber nie angewandtes Gesetz wieder ausgräbt, demzufolge jeder mit 20 Jahren Haft oder der Todes strafe bestraft wird, der Präsidenten, Minister oder Abgeordnete von der Ausübung ihrer Pflichten abzuhalten versucht. Hilfe aus den USA? Ein weiterer Schatten auf eine etwaige dritte Verhandlungsrunde wird durch die jüngsten Äußerungen der USA geworfen, Sri Lanka im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen. Obwohl die Amerikaner betonen, sie wollten zwischen einer Unterstützung Sri Lankas im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und einer direkten Hilfestellung bei der Aufstandsbekämpfung unterscheiden, ist die Ankündigung sowohl von Indien als auch von der tamilischen Guerilla scharf verurteilt worden. Berichten der in Madras erscheinenden Tageszeitung The Hindu zufolge ist die indische Regierung der Auffassung, daß militärisches Gerät zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch gegen die tamilische Guerilla eingesetzt werden könnte. Eine endgültige Entschei dung seitens der USA ist bisher noch nicht gefallen. Sie zeigten jedoch großes Interesse am Hafen von Trincomale im Nordosten Sri Lankas, den sie für „rest and recreation facilities“ nutzen wollten. Die Bemühungen scheiterten jedoch am Einspruch Indiens, das als regionale Großmacht kein Interesse an einer Präsenz der Supermacht USA vor seiner Haustür hat. Auf militärischer Ebene zog es die Reagan–Regierung vor, über die Achse London–Tel Aviv– Pretoria–Islamabad zu agieren, um der lankanischen Regierung über diese Umwege Waffen zur Verfügung zu stellen. Hochrangige Politiker aus Colombo wie Präsident Jayewardene, Premierminister Premadasa und Sicherheitsminister Athulathmudali, die während der letzten zweieinhalb Jahre Washington besuchten, setzten sich immer wieder für eine verstärkte militärische Unterstützung durch die USA ein.Dabei beschworen sie nicht selten das Gespenst einer marxistisch orientierten tamilischen Guerilla, die nicht etwa nur die Teilung des Landes anstrebe, sondern darüber hinaus das Ziel verfolge, die Regierung in Colombo zu stürzen und sie durch ein kommunistisches Regime auszutauschen. Die so aufgezeichnete angebliche Bedrohung - nicht nur Sri Lankas - ist in jüngster Zeit von verschiedenen Medien aufgegriffen worden. In einem Artikel der Washington Post, der über eine weltweite Untersuchung der Risks International Inc. berichtet, erreicht Sri Lanka in der „Hitliste“ der durch Terrorismus gefährdeten Länder den zehnten Platz. In einem Beitrag des Asian Wall Street Journal fordert der ehemalige amerikanische Geheimdienstanalytiker Tom Marks die US–Regierung auf, Sri Lanka „im Kampf gegen den tamilischen Terrorismus zur Hilfe zu kommen“ und sich stärker gegen die Unterstützung der tamilischen Guerilla durch Indien auszusprechen. Sri Lanka erwarte diese Hilfe, heißt es weiter, und es sei für die USA an der Zeit, „sich nicht länger herauszuhalten“.

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