: Vereinte Harmonie
UN Nanu, kein Eklat auf der Generalversammlung in New York? Das war mal anders. Die weltpolitischen Akteure können die Lage nicht mehr ignorieren
AUS GENF ANDREAS ZUMACH
Immer prägten heftige Konfrontationen die Auftaktwoche. Wenn sich die Staats- und Regierungschefs oder Außenminister der 193 UNO-Mitgliedstaaten zur jährlichen Generalversammlung in New York trafen, blieb in den letzten Jahren selten ein handfester Eklat aus. Dafür sorgte in erster Linie Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad mit seinen antiisraelischen Tiraden, zuerst nach seiner Wahl 2005. Die Delegationen der USA, Israels und auch einiger EU-Staaten verließen unter Protest den Saal. Bei seiner letzten Rede im vergangenen Jahr reagierte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nicht nur mit harter verbaler Münze auf Ahmadinedschad, sondern er hielt auch ein selbst gemaltes Plakat mit einer iranischen Atombombe hoch. Egal, dass das ein Verstoß gegen das im Saal geltende Demonstrationsverbot war.
Nicht nur Ahmadinedschad, auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez war immer für einen Eklat gut. 2003, es war das Jahr des Kriegs der USA gegen den Irak, titulierte er seinen Vorredner George Bush als „Teufel“. Der „Schwefelgestank“ sei am Redepult noch zu riechen.
Doch dieses Jahr war alles anders. Die Nachfolger von Bush und Ahmadinedschad, Barack Obama und Hassan Rohani bemühten sich um versöhnliche Töne. Rohani erteilte einer atomaren Bewaffnung eine eindeutige und grundsätzliche Absage. Obama bekräftigte ausdrücklich des Recht Teherans auf die Anreicherung von Uran zu zivilen Zwecken. Beide Präsidenten warben für eine diplomatische Lösung der Konflikte im Nahen Osten und plädierten für die baldige Wiederaufnahme der seit Jahresbeginn blockierten Verhandlungen über das iranische Atomprogramm.
Bereits am Freitag trafen sich die Außenminister der fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien) mit ihrem neuen iranischen Amtskollegen Mohammed Dschawad Sarif und vereinbarten eine erste Verhandlungsrunde für Mitte Oktober. Zugleich klärten die Chefdiplomaten der fünf Vetomächte am Rande der Vollversammlung die letzten Streitpunkte der Syrien-Resolution des Sicherheitsrats, die am Freitagabend verabschiedet werden sollte. Mit dieser Resolution wird der bereits vor zwei Wochen von den USA und Russland vereinbarte Plan für die internationale Kontrolle und Beseitigung der syrischen Chemiewaffen endlich zu einer völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtung für die Regierung Assad.
Doch all die versöhnlichen Worte dieser New Yorker Woche: Waren sie nicht nur leere Fensterreden, wie viele Skeptiker argwöhnen? Die Treffen und Verhandlungen am Rande der Vollversammlung nur „Täuschung und taktische Manöver“, um Zeit zu gewinnen für Assad und für den Bau einer iranischen Atombombe, wie Netanjahu sogleich behauptete?
Keineswegs. Denn alle wesentlichen Akteure dieser Woche stehen unter wachsendem Druck, die eskalierenden Konflikte in Syrien und um das iranische Atomprogramm zu entschärfen. Rohani wird seine gerade begonnene Amtszeit politisch kaum überleben, wenn er nicht bald zumindest eine Lockerung der lähmenden Wirtschaftssanktionen erreicht, die der Westen gegen sein Land verhängt hat. Der iranische Präsident hatte bereits im Vorfeld der UN-Vollversammlung deutlich gemacht, dass er sein Land nicht nur beim Thema Atomprogramm auf einen anderen außenpolitischen Kurs steuern will: mit seiner Grußbotschaft an die israelischen Juden, der deutlichen Distanzierung von den antiisraelischen Tiraden Ahmadinedschads sowie mit seinem Vermittlungsangebot im Syrien-Konflikt.
Auf der anderen Seite weiß US-Präsident Obama spätestens seit der verlorenen Syrien-Debatte in seinem Land, dass er für einen noch viel risikoreicheren Angriff auf den Iran erst recht keine Unterstützung in der US-Bevölkerung und im Kongress hätte. In Washington gibt es zudem bereits seit Jahren parteiübergreifend von harten Falken der US-Außenpolitik wie Zbigniew Brzeszinksi bis hin zu linken Demokraten zahlreiche gewichtige Stimmen, die eine Normalisierung der Beziehungen zum Iran aus wohlverstandenem Eigeninteresse der USA für dringend geboten halten.
Mit Blick auf Syrien führt die wachsende Sorge der USA und der schiitischen Regionalmacht Iran vor einem Zerfall des Landes und der Kontrolle durch sunnitische Milizen und Terrorgruppen zum gemeinsamen Interesse am Erhalt einer funktionierenden Zentralgewalt in Damaskus.
Das muss nicht mehr unbedingt die Regierung Assad sein, signalisierte Rohani bereits vergangene Woche. Eine konkrete Kooperation zwischen Washington und Teheran bei der Lösung des Syrien-Konflikts – etwa durch die von der Obama-Administration bislang abgelehnte Teilnahme Irans an der geplanten Genfer Friedenskonferenz – ist zwar keineswegs ausgemacht. Und ein Erfolg der Atomverhandlungen mit dem Iran keineswegs garantiert. Doch die New Yorker Auftritte von Obama und Rohani geben zumindest Anlass für vorsichtigen Optimismus.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese 68. Generalversammlung der UNO einmal als historisch bedeutsam in die Geschichtsbücher eingehen wird. Seit 1945 hat keine Weltgegend die Vereinten Nationen so häufig beschäftigt wie der Nahe Osten. Nun könnte ein Wendepunkt markiert sein hin zur Entschärfung und Beilegung zentraler Konflikte in diesem Raum.