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Archiv-Artikel

Ver.dienste bei Ver.di sollen schrumpfen

Der Gewerkschaftsrat überlegt: Freizeit statt Geld für Mitarbeiter, weniger Neueinstellungen, Teilzeitmodelle

BERLIN taz ■ Auch eine Gewerkschaft ist ein Arbeitgeber, und auch Ver.di muss Personalkosten sparen. Aber gleich 20 Prozent weniger arbeiten ohne Lohnausgleich? „Diese Zahl ist vom Tisch“, dementierte Ver.di-Sprecher Harald Reutter gestern gegenüber der taz eine Bild-Meldung. Auf Einschnitte werden sich die 5.000 Ver.dianer jedoch gefasst machen müssen.

Gestern diskutierte der Gewerkschaftsrat, das höchste Gremium zwischen den Gewerkschaftstagen, welche Opfer verlangt werden – immerhin 10 Prozent weniger Arbeit ohne Lohnausgleich sowie Kürzungen von Weihnachts- und Urlaubsgeld in gleicher Höhe lautete die Forderung des Bundesvorstands.

Gegen Ende der ganztägigen Aussprache zeichnete sich ab, dass die 80 Gewerkschaftsräte sich auf Empfehlungen einigen würden. Mit diesen in der Tasche wird der Bundesvorstand voraussichtlich Ende August Verhandlungen mit dem Ver.di-Gesamtbetriebsrat aufnehmen.

Nicht vom Tisch sind Überlegungen des Vorstands, auf unbestimmte Zeit keine oder nur sehr wenig Neueinstellungen zuzulassen. Ältere Mitarbeiter werden sich darüber hinaus mit dem Gedanken anfreunden müssen, von ihren Vorgesetzten künftig über Altersteilzeitmodelle aufgeklärt zu werden. Für die vorgezogene Rente, sagte Reutter, sollen Anreize geschaffen werden.

Der amtierende Chef des Ver.di-Gesamtbetriebsrates, Karl-Heinz Austermühle, wollte sich zu Einzelheiten gestern nicht äußern. Er verwies auf den Gesprächstermin mit dem Bundesvorstand Ende August. Bei dieser Gelegenheit werde er darauf hinweisen, dass „erst einmal an den Sachkosten“ gespart werden müsse. Bevor es an die Personalkosten geht, müssten außerdem die 2,7 Millionen Ver.di-Mitglieder zur Beitragsehrlichkeit gemahnt werden, so Austermühle. Ihnen müsste signalisiert werden, dass sie ihre Beiträge ehrlich zahlen müssten. Tatsächlich spielen die Mitgliedsbeiträge eine Rolle in dem Sparkonzept, über das gestern im Gewerkschaftsrat gesprochen wurde.

Wann genau die Ver.di-Mitarbeiter über mehr Freizeit und weniger Geld verfügen werden, ist unklar. Ein mögliches Datum ist Ende 2004. Bis dahin, so hatte es einmal geheißen, sollten die unterschiedlichen Haustarifverträge jener Gewerkschaften vereinheitlicht sein, die sich 2001 zu Ver.di zusammengeschlossen hatten.

Von einer schnellen Einigung über den künftigen Personalhaushalt wird es abhängen, ob die für 2007 angestrebte Haushaltskonsolidierung gelingt. Insgesamt muss Ver.di jährlich 50 Millionen Euro an laufenden Ausgaben einsparen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss auch an Sachkosten gespart werden. Derzeit gibt die Gewerkschaft pro Jahr insgesamt 480 Millionen Euro aus. Den Fehlbetrag finanzierte sie bisher aus Rücklagen. Doch diese, so viel ist klar, reichen nicht ewig.

Wie sensibel das Thema ist, zeigte sich im März dieses Jahres. Geradezu hektisch hatten höhere Gewerkschaftsmanager auf ein internes Papier der Personalabteilung reagiert, in dem diese Sparmöglichkeiten beim Personal vorrechnete. Damals standen Weihnachts- und Urlaubsgeld noch komplett zur Debatte. Hausintern fahndete man nach der undichten Stelle. Nach außen wurde abgewiegelt. Denn die Frage, über welches finanzielle Polster die zweitgrößte Gewerkschaft der Welt – größer ist nur die chinesische Staatsgewerkschaft – verfügt, birgt politische Brisanz. Eine Gewerkschaft, deren Streikkassen nur ungenügend gefüllt sind, ist ein zahnloser Tiger.

MATTHIAS BRAUN