Ver.di zur ZDF-Verfassungsklage: Für mehr Ferne im Fernsehrat
Ver.di unterstützt die Verfassungsklage der rheinland-pfälzischen Regierung. Doch das geht der Gewerkschaft nicht weit genug. Sie will die Gremien ganz neu ordnen.
![](https://taz.de/picture/284407/14/zdf_fernsehrat_polenz_01.20110107-11.jpg)
Die mangelnde Staatsferne in den Gremien des ZDF wird dieses Jahr das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Die Vertreter der Gewerkschaft Ver.di im ZDF unterstützen die Klage der rheinland-pfälzischen Landesregierung unter Kurt Beck (SPD) – doch sie geht ihnen längst nicht weit genug.
"Die Vorstellung, Vertreter von Interessenverbänden könnten allein die Pluralität der Gesellschaft abbilden, entspricht ständestaatlichem Denken und ist einer demokratischen Gesellschaft nicht mehr angemessen", heißt es in einem jetzt veröffentlichten Appell an die Verfassungsrichter. Die Gewerkschaft fordert die Karlsruher Richter dazu auf, "nicht nur kleine Reförmchen" beim sogenannten Normenkontrollverfahren anzubringen, sondern die Gremienbesetzung im ZDF komplett neu zu ordnen. Natürlich geht es Ver.di auch um den Einfluss von Regierungsvertretern und Parteien, die zum Gang nach Karlsruhe geführt haben.
Weil 2009 der von diversen amtierenden und ehemaligen Ministerpräsidenten bevölkerte Verwaltungsrat des Senders Chefredakteur Nikolaus Brender auf Beitreiben des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) schasste, soll das Verfassungsgericht nun prüfen, wie es um die vom Grundgesetz vorgegebene Staatsferne bei den ZDF-Aufsichtsgremien bestellt ist.
Darüber hinaus fordert Ver.di eine Debatte über die Vertreter im Fernseh- und Verwaltungsrat, deren Verbände oder Organisationen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Knirsch liegen. Solche "Interessenkollisionen" würden aber bislang "kaum öffentlich diskutiert", schreibt Uli Röhm, Sprecher von Ver.di im ZDF: "Was haben beispielsweise zwei Vertreter des Bundesverbands Deutscher Zeitschriftenverleger (BDZV) im ZDF-Fernsehrat zu suchen, die in Fragen neuer Medien in Konkurrenz mit dem ZDF stehen" - und deren Branche ständig drohe, auch juristisch gegen die Onlineaktivitäten der öffentlich-rechtlichen Sender vorzugehen, fragt Röhm.
Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des BDZV, sieht hier keinen Widerspruch: "Natürlich stehen die BDZV-Vertreter auf, wenn es um die Internetaktivitäten des ZDF geht, denn gerade die Texte auf zdf.de sind gebührenfinanzierte Konkurrenz zur Presse", sagt er. Zu zweit könnten sie die anderen 75 ZDF-Fernsehräte aber nicht überstimmen. Deshalb sieht Wolff das Gremium weniger durch einzelne Vertreter von Interessenverbänden der Wirtschaft – wie der ebenfalls beim ZDF vertretenen Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände – oder gesellschaftlicher Vertreter wie des BUND beeinflusst als durch die großen politischen Lager. "Ich hätte Schwierigkeiten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk staatsfern zu nennen", sagte Wolff zur taz.
Neben den Verleger-Vertretern sieht Ver.di auch die Vertreter der Filmindustrie und der Sportverbände im ZDF-Fernsehrat in einem Interessenkonflikt: "Sportverbände treten selbst als Veranstalter auf und verdienen sehr viel Geld durch den Verkauf von Sportrechten an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk", heißt es in dem Schreiben. Es könne nicht sein, dass demnächst am Ende "über einen Spitzenverband bekannt wird, in welche Sportart in Zukunft bei der Berichterstattung investiert werden" solle.
Die Forderungen der Gewerkschafter gehen damit weit über die Pläne von Kurt Beck hinaus, der zwar für mehr Staatsferne beim ZDF eintritt, die Rolle der Politik und vor allem der Landesregierungen aber nicht völlig einschränken will. "Die Länder haften für die Sender, wenn dort etwas wirtschaftlich schiefgeht", sagte Beck zu Weihnachten im taz-Interview. Daher sei es zwingend, dass sie auch in den Gremien Sitz und Stimme hätten.
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