: Ver.di droht eiskalt mit Winterpause
Der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst spitzt sich zu. Scheitern die morgigen bundesweiten Verhandlungen, könnte es schon ab kommender Woche in Berlin zu Streiks kommen. Innensenator Körting lehnt Schlichterspruch als unfinanzierbar ab
von RICHARD ROTHER
Der sich zuspitzende bundesweite Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst könnte in den nächsten Wochen auch in Berlin zu Streiks führen. Betroffen davon dürften grundsätzlich alle öffentlichen Behörden und Unternehmen sein: also Ämter und Verwaltungen, BVG und BSR, Kitas und Krankenhäuser. Sollten die für morgen angesetzten Tarifverhandlungen scheitern, kündigte die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di Urabstimmungen über die Einleitung von Streiks an. Die Abstimmungen könnten bereits in der nächsten Woche stattfinden. „Wir sind darauf vorbereitet“, sagte der Ver.di-Tarifexperte Burkhard Thiemann.
In der Nacht zum Montag hatte sich die Schlichtungskommission auf einen Vorschlag geeinigt, nach dem die Entgelte der bundesweit rund drei Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst in diesem Jahr um 2,4 Prozent und im nächsten um 0,6 Prozent steigen sollen. Bund, Länder und Gemeinden weisen diesen Vorschlag zurück.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) lehnte den Schlichterspruch gestern als nicht finanzierbar ab. Gerade Berlin wäre nicht in der Lage, dies zu bezahlen, sagte der Senator. Eine Tariferhöhung um 2,4 Prozent für Arbeiter und Angestellte – und nachfolgend für Beamte und Versorgungsempfänger – würde 200 Millionen Euro Mehrausgaben in diesem Jahr bedeuten. Dieses Geld müsste der Senat anderswo einsparen, was angesichts der dramatischen Finanzlage der Stadt kaum möglich sei.
Ver.di-Mann Burkhardt Thiemann bezeichnete die vorgeschlagene Tariferhöhung hingegen als „verkraftbar“ für den Haushalt. Für diesen Zweck seien bereits vorsorglich Mittel im Budget eingeplant worden.
Zusätzliche Sorge dürfte dem rot-roten Senat die Terminierung des Tarifkonfliktes bereiten. Sollte ein bundesweiter Kompromiss bis zum 31. Januar unterzeichnet werden, müsste Berlin die Einigung übernehmen, obwohl es seine Mitgliedschaft im Verband der öffentlichen Arbeitgeber gekündigt hatte. Die Kündigung wird erst zum 1. Februar wirksam. Damit könnte der paradoxe Fall eintreten, dass ein bundesweiter Streik zum jetzigen Zeitpunkt Berlin finanziell entlasten könnte.
Zur Zeit sind mehrere Szenarien denkbar: Kommt es bundesweit zu Streiks im öffentlichen Dienst, dürfte auch Berlin davon betroffen sein. Zunächst würden die Berliner Gewerkschaften wie in den übrigen Regionen für höhere Löhne streiken; nach dem ersten Februar müssten sie dem Senat zusätzlich abtrotzen, eine bundesweite Einigung auch für Berlin zu übernehmen. Letzteres träte auch in dem theoretischen Fall ein, dass es zwar bundesweit recht bald zu einer Einigung kommt, aber die entsprechenden Tarifverträge erst nach dem 1. Februar signiert werden.
Ungemach droht dem Senat auch in den Schulen. Gestern beriet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), ob und wie sie die bereits beschlossene Arbeitszeitverlängerung für beamtete Lehrer verhindern kann. GEW-Landeschef Ulrich Thöne schloss gestern Kampfmaßnahmen nicht aus, obwohl Beamte in Deutschland nicht streiken dürfen. Ob dies mit dem europäischen Recht vereinbar sei, sei juristisch noch nicht durchgefochten worden, so Thöne.
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