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„Verdammte Pflicht zur Freude“

■ Davis Cup-Halbfinale in Hamburg beginnt heute / Bürgermeister Voscherau begrüßte „seine Lieben“ im Rathaus Von Claudia Thomsen

Kennen Sie Wilhelm Bungert? Nein? Dann haben Sie zumindest eine Sache mit Hamburgs erstem Bürgermeister gemein. Doch was Ihnen nicht peinlich sein muß, war der Logik in der gestrigen Rede Henning Voscheraus anläßlich der heute beginnenden Austragung des Davis Cup-Halbfinales am Rothenbaum sehr, sehr abträglich.

„Also meine Lieben“, begrüßte der schmächtige Mann in Dunkelblau – er hielt derlei kumpelhaft-saloppen Ton unter Sportlern wohl für angemessen – die russischen und deutschen Spieler, die im Rathaus der Auslosung der Begegnungen harrten, um flugs seine „persönliche sportliche Meinung“ zum besten zu geben. Jeder, der ins Davis Cup-Team berufen werde, habe „die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sich zu freuen“, moralisierte der Bürgermeister, um im gleichen Atemzug einmal mehr die Bedeutungslosigkeit der Traditionsreliquie Davis Cup zu belegen.

Der hanseatische Jurist erinnerte in seiner Rede nämlich nicht an jenen fast vergessenen Wilhelm Bungert, den Mann also, der sich in den 60er und 70er Jahren so oft wie kein Zweiter vor und nach ihm im deutschen Team um den im Jahre 1900 vom Amerikaner Dwight Filley Davis gespendeten 18-Kilo-Cup schlug. Er bemühte den „Tennisbaron“ Gottfried von Cramm, der nicht durch seine Einsätze für Tennis-Deutschland, sondern durch drei Wimbledoner Finalniederlagen Mitte der 30er Jahre zu Ruhm und Ehren gelangte.

Michael Stich hingegen störten derlei Feinheiten nicht, war doch auch ihm der unverkennbare Seitenhieb auf den in Asien tourenden Boris Becker nicht entgangen: „Ich bin froh, daß ein Mann in seiner Position das einmal so offen ausspricht“, kommentierte der Elmshorner dankbar.

Doch was hat ein Mann wie Patrik Kühnen zum Thema zu sagen, der als Ersatzspieler aller Wahrscheinlichkeit nach überhaupt keine Gelegenheit haben wird, seine pflichtgemäß empfundene Freude in spielerischen Einsatz umzusetzen? „Der Davis Cup ist immer ein Highlight. Es macht Spaß, die anderen zu treffen, zusammen zu trainieren und Essen zu gehen“, bemerkte der Mann mit den hochgerollten Augenwimpern ohne Groll. Er sei schließlich auch gerade erst von einem Bandscheibenvorfall genesen. Würden Nettigkeit und Genügsamkeit im Tennis zählen, der kurzlockige Patrik Kühnen wäre die Nummer Eins der Weltrangliste.

Doch leider – der Alltag, er sieht anders aus. Im echten Leben geht es weniger um Emotionen und Ehre denn um rationalisierte Profitmaximierung, und die wird, wie der Feuilletonist Helmut Böttiger es treffend formulierte, im Tennis auf den Punkt gebracht. Romantisierungen a la Voscherau ändern an dieser Tatsache wenig und überhaupt: Außerhalb des Courts gibt sich der „untalentierte Tennisspieler“ (Voscherau über Voscherau) ja auch nicht eben systemkritisch.

Wesentlich konsequenter in Sachen Tennis verhielt sich da Richard von Weizsäcker. Der kam als erster deutscher Bundespräsident nicht 1988, nachdem das deutsche Team erstmals den Davis Cup gewann, ins Aktuelle Sportstudio, sondern drei Jahre zuvor. 1985 gewann der 17jährige Boris Becker Wimbledon ganz für sich allein, und der Repräsentant kam, um zu gratulieren.

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