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Verband AlleinerziehenderFrauenjobs contra Kitazeiten

Das größte Problem der Alleinerziehenden seien nicht die Jobcenter sondern die Kinderbetreuung. Zudem fordert der Verband weniger "Maßnahmen" und mehr echte Qualifikation.

Vierzig Prozent der Alleinerziehenden sind arbeitslos, weil es an Ganztagsplätzen für die Kinderbetreuung fehlt. Bild: dpa
Heide Oestreich
Interview von Heide Oestreich

taz: Frau Eidtmann, Arbeitsministerin von der Leyen will Alleinerziehenden die Arbeitssuche erleichtern, die SPD prescht mit einem Acht-Punkte-Programm vor. Wie erklären Sie sich das plötzliche Interesse?

Margot Eidtmann: In der letzten Zeit hat die Bundesanstalt für Arbeit aufrüttelnde Zahlen veröffentlicht. Über die Hälfte aller Bedarfsgemeinschaften im Alg II sind Alleinerziehende.

Was müßte als erstes anders werden?

Margot Eidtmann

Die 57-jährige Sozialpädagogin leitet die Beratungsstelle des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) in Kiel.

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Die Kinderbetreuung. Jede Woche sitzen in meiner Beratung Frauen, bei denen fehlt hier eine halbe Stunde morgens und da eine Stunde am Abend. Sie haben ja nur Anspruch auf einen Halbtagsplatz. Alleinerziehende können also nicht Verkäuferinnen werden, die bis 22 Uhr im Laden stehen müssen. Oder Pflegekräfte, die morgens um 6 Uhr anfangen. Diese typischen Frauenjobs sind mit unseren Kitazeiten nicht vereinbar. Und deshalb bleiben diese Frauen arbeitslos. Oft reicht der künftige Lohn nicht, um noch eine zweite Betreuung zu bezahlen. Die Kitagebühren für Niedrigverdiener müssen sinken.

Die SPD möchte nun auch den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz, sogar für die gesamte Schulzeit.

Die meisten Kinder gehen immer noch in Halbtagsschulen. In vielen Landkreisen gibt es nur eine einzige Ganztagsschule. Ein Rechtsanspruch würde helfen.

Frau von der Leyen setzt bei den Jobcentern an. Die sollen Kitaplätze für Alleinerziehende besorgen.

Im Moment sind die Jobcenter mit solchen Aufgaben schlicht überfordert. Sie vermitteln im Moment tatsächlich gern in Maßnahmen, ohne sich um die Kinderbetreuung zu kümmern. Das ist mangelhaft.

Die SPD will das Personal in den Jobcentern aufstocken.

Die Forderungen sind gut. Aber die SPD ist in der Opposition. Das Hauptproblem ist doch, dass wirkliche Arbeitsvermittlung in den Jobcentern gar nicht mehr stattfindet. Die Leute werden in Maßnahmen gesteckt, dann sind sie raus aus der Statisitik. Die Alleinerziehenden sind aber eine sehr inhomogene Gruppe, sie benötigen individuelle Beratung.

Was heißt das genau?

Sie bekommen in diesen Maßnahmen irgendwelche Zusatzqualifikationen. Wenn sie aber eine richtige Ausbildung oder den Realschulabschluss machen wollen, zahlt das Jobcenter das nicht. Dann müssen sie in das Ausbildungsförderungssystem wechseln und da werden dann wieder die Eltern für die Finanzierung herangezogen. Das wollen viele 25-Jährige aber nicht. Außerdem gibt es bei der Ausbildungsförderung Altersgrenzen. Aber auch 30-Jährige müssen Abschlüsse machen können, gerade Alleinerziehende.

Rechtsanspruch auf Schul- und Berufsabschluss in Teilzeit steht im SPD-Programm.

Die SPD-Ideen sind alle schön. Aber wie kann man sie umsetzen? Die Kommunen sparen gerade. Die Kitagebühren werden erhöht, der Ausbau kommt kaum voran. Was die Agentur für Arbeit anlangt, bin ich etwas optimistischer. Es wird viel Geld in den Maßnahmen verbrannt. Dieses Geld kann man umschichten in nachhaltige Ausbildungen und eine bessere Betreuung.

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4 Kommentare

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  • CJ
    Carola Jordan

    Es dauert alles schon viel zu lange, das sich endlich etwas ändert. Ich war 9 Jahre mit dem Vater meines Kindes zusammen und dann hat er mich einfach sitzen gelassen. Seine Schulden lasten noch heute auf meinen Rücken. Ich bin immer arbeiten gegangen und bin dann halt nach der Geburt zu Hause geblieben. Und da er mich dann sitzen lies bin ich alleinerziehend geworden. Mein ehemaliger Chef musste mich kündigen, da ich nach der Elternzeit immer noch nicht anfangen konnte, weil ich keine Betreuungsmöglichkeiten hatte. Ich habe meinen Sohn bei mehr als 10 Kitas angemeldet und nie war was frei.

    Nun habe ich den Salat, da ich danach dann komplett in Hatz4 rutschte, konnte ich überhaupt nichts mehr bezahlen und stehe nun kurz vor einer Privatinsolvenz und das nur weil ich einfach nur dumm und blind vor Liebe war. So schnell kann es gehen! Mein Sohn hat jetzt seit August einen Kindergartenplatz, jetzt wo ich in der Scheiße sitze,hätte er den früher bekommen, hätte ich die Insolvenz nicht machen brauchen. Nun muß ich damit rechnen, das Lohnpfändungen mir bevor stehen.

    Ich schrieb in meiner Situation sogar der Bundeskanzlerin aus purer Verzweiflung einen Brief, wo ich auch ein Rückschreiben bekam, allerdings nicht von Ihr persönlich, wo mir mitgeteilt wurde das mir in meiner Situation nur Sozialstellen helfen können, aber das wusste ich schon längst! Ich werde bestraft ein Kind bekommen zu haben. Die Schulden ersticken mich, wofür ich nichts kann! Mein Kind würde ich niemals hergeben wollen, weil mein Sohn der Einzige ist für den es sich noch lohnt zu kämpfen! Meine Erkenntniss an Euch! Denkt immer daran, der Staat redet nur, handeln tut er nie wirklich und wir werden immer nur die doofen Marionetten sein.

  • X
    xyz

    sein wir doch mal ehrlich: die meisten Arbeitsplätze sind derart monoton und geistig verarmend, dass eine Mutter keinen zusätzlichen Nutzen gewonnen hat, wenn sie Vollzeit 42 Stunden arbeitet und ihr Kind dann in teure Betreungseinrichtungen gibt. Das Einkommen ist zu miserabel, Vollzeit lohnt sich für viele nicht und ändert oft nichts am Hilfebedarf.

     

    Viel sinnvoller wäre der Ausbau der "großen Teilzeit" wie in den Niederlanden als familienfreundliche Struktur. In den Niederlanden ist durch diese Modelle auch die Arbeitslosigkeit viel niedriger, die Geburtenrate ist höher und letztlich profitieren die Familien davon.

     

    also meinen Job möchte ich nicht mehr in Vollzeit ausüben müssen - egal ob mit Kind oder ohne. Da würde ich mich wohl eher erhängen. Das spricht auch nicht gerade für die Qualität der meisten Arbeitsplätze.

  • T
    Trixie

    ach ja, einzelhandel bis 22h, wär das schön.

    hier haben die ganz grossen ketten schon bis 24h geöffnet, damit sich die kassiererinnen auch mitten in der nacht noch von ungeduldigen kunden wegen einer cola, die nicht schnell genug gescannt wird, anpöbeln lassen können. gern vom besserverdienenden, der mit seiner leistungsbereitschaft "hier ja alles überhaupt am laufen hält".

  • H
    Harri

    So wenig Geschichtsbewußtsein schreit ja schon!

    Es sind so viele Alleinerziehende auf ALG II, weil sie im Rahmen der Hartz IV-Reform aus der Sozialhilfe heraus auf ALG II genommen wurden.

    Diese Besserstellung der Alleinerziehenden war das Totschlagargument von Rot-Grün - und des VaMV - für diese Reform, und nicht dagegen!

     

    Das reicht dem VaMV nun aber nicht mehr.

    Nun auch noch Schulabschlüsse, Jobs und Ganztagsbetreuung bis 22 Uhr oder noch mehr, als gäbe es Vollbeschäftigung, keine bildungsfernen Frauen, und schon gar keine Väter.

     

    Tatsächlich hat Hartz IV zu einer wesentlichen Steigerung der Bereitschaft von Frauen zur Elterntrennung geführt. Dabei spielen die ökonomischen Vorteile und die soziale Unterstützung, die ohne Kind nicht gewährt würde, eine wesentliche Rolle.

    Es gibt schlimme Situationen, aber überweigend läuft das nach dem Muster ab: Kind bekommen, Vater entsorgen, Erziehung auf Staat abwälzen, und DAFÜR als Opfer Kohle, Rente und Unterstützung fordern.

     

    Wer will das eigentlich noch, und wie wird eine Gesellschaft aus diesen Kindern aussehen?

     

    Natürlich kann ein Verein der Alleinerziehenden nicht die Fragen stellen:

    Warum bist du eigentlich allein erziehend?

    Hast Du vorher nicht gewußt, was Elternschaft bedeutet?

    Welchen Anteil hast Du daran, dass der Vater des Kindes Dich nicht zeitlich unterstützt? Hast Du dich etwa daran gehalten, was der VaMV Dir als "Dein Frauenrecht" darstellt?

     

    Ganztagsbetreuung bis 22 Uhr gibt es auch für gemeinsam Erziehende nicht, das Nachholen von Abschlüssen wird immer privat finanziert, gemeinsam erziehende Aufstocker dürfen überhaupt nicht in Weiterbildung, und haben pro Person weniger als Alleinerziehende.

     

    Es gäbe allerdings eine auch vom VaMV sinnvolle Forderung: die Regelungen um die Bedarfsgemeinschaften müssen weg, und statt dessen muss nach Personen gefördert werden. Dann wären nämlich die "allein" "Erziehenden" nicht mehr gezwungen, allein zu leben, um die Förderung einstreichen zu können.

     

    Dass es zur Lösung des Themas allein Erziehende sinnvoller wäre, dass beide Eltern die Kinder zu gleichen Teilen erziehen, kann natürlich von einem VaMV nicht verlangt werden, denn damit würde er ja seine Auflösung fordern. Und was wird dann aus Frau Eidtmann?

     

    Allerdings läßt ein Blick ins europäische Ausland vermuten, dass es nicht erst 30 Jahre dauern wird, bis die einige hiesige Üblichkeiten in der Erziehung als Mißbrauchsform angesehen werden...