Vati soll weniger zahlen : Angriff auf Alleinerziehende
Justizminister Buschmanns geplante Novelle der Unterhaltszahlung an alleinerziehende Mütter wäre schädlich für Kinder und frauenfeindlich. Winken Grüne und SPD das einfach durch? Der Kommentar von Udo Knapp.
taz FUTURZWEI | Das Familienrecht soll modernisiert werden, so steht es im Koalitionsvertrag. Nach drei Jahren hat es Justizminister Marco Buschmann (FDP) plötzlich eilig. Klar: Die nächste Wahl könnte schneller kommen, als ursprünglich gedacht. Buschmann hat ein Gesetzespaket ohne Ressortabstimmung und Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zur Abstimmung in die Länder gegeben. Damit wird die ordnungsgemäße Beratung der umfassenden Änderungen zwischen den Ministerien, im Kabinett und vor allem im Bundestag hintertrieben.
Das Unterhaltsrecht für die Kinder getrennt lebender Eltern ist besonders umstritten. Bisher gilt das Residenzmodell „Eine(r) betreut, eine(r) bezahlt“. Das ist eine lebensnahe Regelung. Kinder gehören zu ihren Müttern. Die Mütter sind der Mittelpunkt im Leben der Kinder, die Väter ergänzen die Mütter, mal mehr mal weniger gut. Wenn sie sich von den Müttern trennen, die Familie aufgeben, müssen sie Unterhalt zahlen.
Die Alleinerziehenden, die das in aller Regel auch bis zum Ausschwärmen der Kinder bleiben, tragen die Hauptlasten für das Aufwachsen der Kinder. Sie und die Kinder können vom Unterhalt der Väter nicht leben. Die Alleinerziehenden müssen arbeiten. Kinder, Arbeiten und Alleinerziehen sind eine dreifache Belastung. Die Väter dagegen, jetzt ohne ihre Kinder, gründen häufig neue Familien. An ihren Unterhaltspflichten ändert das nichts. Doch viele Väter zahlen den Unterhalt einfach nicht. Dann springt der Staat mit dem Unterhaltsvorschuss ein. Er soll das Geld dann von den säumigen Vätern zurückholen, was ihm aber in immer größerem Umfang nicht gelingt.
Kinder unter zehn allein vorm Richter
Unabhängig vom Staat haben die Getrenntlebenden im Lebensalltag und in eigener Verantwortung sogenannte Wechselmodelle entwickelt. Die Kinder leben bei den Müttern, an den Wochenenden und der Hälfte der Ferien und aller Feiertage sind sie bei den Vätern. Im „symmetrischen Wechselmodell“, alles halbe-halbe, wachsen die Kinder in zwei verschiedenen Haushalten und Welten auf. Wenn und weil sich Väter und Mütter dennoch Rosenkriege liefern, müssen Jugendämter und Familiengerichte entscheiden, in welchem Modus die Kinder hin und her gezwungen werden. Was oft dazu führt, dass schon Kinder unter zehn Jahren allein vorm Richter befragt werden, ob sie denn lieber bei der Mutter oder beim Vater leben wollen.
An der Unterhaltsregelung hat sich durch diese Verfahren bisher nichts geändert. Der Vater zahlt weiter vollen Unterhalt, unabhängig von seiner richterlich festgelegten oder freiwillig vereinbarten Betreuungsleistung. Sich benachteiligt fühlende Väter haben deshalb den Interessenverband „Unterhalt und Familienrecht“ (ISUV) gegründet. Diese Väter wollen ihre Betreuungsleistung verrechnen und vom Unterhalt abziehen dürfen.
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Und nun kommt's: Mit Buschmanns Unterhaltsnovelle haben sie fast schon gewonnen.
Prekäre finanzielle Lage weiter verschärft
Der FDP-Minister hat das „ symmetrische Wechselmodell“ in seinen Gesetzentwurf aufgenommen. Übernimmt der Vater zwischen 30 und 50 Prozent der Betreuungsleistungen, soll der Unterhalt für die Kinder in Abhängigkeit von der jeweiligen Leistungsfähigkeit beider Elternteile aufgeteilt werden. „Wenn sich der in diesem Umfang betreuende Vater stärker in der Betreuung engagiert, spart die Mutter dadurch eigene Aufwendungen. Außerdem hat sie mehr Freiraum, um eigener Erwerbstätigkeit nachzugehen“, heißt es im Entwurf.
An der Doppelbelastung der Alleinerziehenden aus Arbeit und Kindererziehung ändert sich auch durch eine Betreuungsleistung der Väter von bis zu 30 Prozent gar nichts. Wenn nun auch noch der Unterhalt dafür um 30 Prozent gekürzt wird, dann wird auch noch eine prekäre finanzielle Lage der Alleinerziehenden weiter verschärft. Sie muss den gekürzten Unterhalt durch zusätzliche Erwerbsarbeit ausgleichen. Die Belastung für sie wird also erhöht, während die Väter – in neuen Komplettfamilien oder allein lebend – beachtliche Summen einsparen und ihre Ex-Partnerinnen mit immer neuen Anträgen beim Familiengericht noch Jahre lang drangsalieren können.
Ungeklärt ist auch wie die 10, 20 oder 50 Prozent der unterhaltsmindernden Betreuungsleistung des Vaters dokumentiert, gerichtsfest bewertet und in Geld umgerechnet werden? Soll es etwa Tagebuchpflichten für jede Stunde Betreuung oder jede Betreuungssachleistung geben? Wer prüft und legt die Höhe der Reduzierung fest? Etwa die Familiengerichte und die Jugendämter? Das würde deren häufig aggressives und bedrückendes Einmischen in die ureigensten Rechte der Mütter auf Selbstbestimmung noch weiter verstärken.
Kinder als Objekte der Machtauseinandersetzung
Mit Buschmanns Vorschlag wird ein rechtlich institutionalisierter Verteilungskrieg der Väter um die Höhe der Betreuungslasten auf dem Rücken ihrer Kinder ausgetragen werden. Kinder, die ohnehin schon mit Trennungstraumata zurechtkommen müssen, sollen nun auch noch mit einer dauerhaften Verschlechterung ihres oft materiell prekären Lebensalltags belastet werden. Das Aufwachsen in zwei Haushalten, mit Eltern, die sich im besten Fall zwar nicht hassen, aber regelmäßig vor Gericht beharken, beschädigt ihre Kindheit und belastet ihre weiteren Lebenswege. Wenn dazu auch noch, wie von Buschmann vorgeschlagen, eine zusätzliche Aufweichung des Sorgerechts der Mütter durch die Aufnahme der Großeltern in dieses Sorgerecht dazukommt, dann werden die Kinder vollends zu Objekten der Machtauseinandersetzung zwischen Müttern, Vätern und Großeltern. Das Sorgerecht gehört im Interesse der Kinder grundsätzlich zur Mutter, in Einzelfällen auch zum Vater. Für Problemfälle gibt es das Jugendamt.
Mit Marco Buschmanns Novelle zum Unterhalt wird das Leben der Alleinerziehenden und ihrer Kinder zum Kampfplatz für die Väter, auf dem sie die Unabhängigkeit und die Kraft selbstbestimmter Frauen grundsätzlich in Frage und unter Verdacht stellen können. Diese Novelle ist neben ihrer Schädlichkeit für das Kinderleben auch noch frauenfeindlich. Daher wäre es interessant, zu hören, was für Vorstellungen die Frauen und Familienpolitiker bei den Grünen und der SPD haben, damit Kinder in stabilen Lebensverhältnissen aufwachsen können, auch wenn ihre Eltern sich als unfähig erweisen, dauerhafte Bindungen zu leben. Oder nehmen sie die Frauen- und kinderfeindliche Linie Buschmanns aus Koalitionsräson einfach hin?
■ UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für das Magazin taz FUTURZWEI.