HANS IM GLÜCK : Vater-Theater
Einen kurzen Moment lang hatte ich gehofft, das Kind würde „Spielplatz“ sagen. Tut es nicht. „Theater!“, kreischt es, „ja, ja, Theater“, stößt sich im Überschwang den Kopf am Türrahmen und fängt an zu heulen. Ich weine auch ein wenig, innerlich, meinem Kaffee und den zwei Zeitungsseiten hinterher. Was man so alles am Spielplatzrand schafft, während Rutsche, Schaukel und Trampolin abgespielt werden.
Im Theater gibt es keinen Kaffee und wenig Platz. Kurz bevor es auf der Bühne losgeht, quetscht sich umständlich ein Mann mit seiner Tochter neben mich, überlegt laut und lange, ob er sich vielleicht doch noch mal umsetzt, beteiligt seine Tochter am Entscheidungsprozess, was es nicht schneller macht. Endlich ist er still, auf der Bühne bekommt Hans im Glück seinen Goldklumpen geschenkt, und ich lese im Schutz der Handtasche heimlich Spiegel online auf dem Handy. Im Theatersaal steht die Luft, ich werde schläfrig. Hans hat endlich sein Gold gegen das Zirkuspferd eingetauscht und reitet weiter nach Glücksstadt, sechs Kilometer noch steht auf dem kleinen Pappwegweiser. Ich lese weiter.
„Siehst du, jetzt sind es nur noch sechs Kilometer“, sagt da plötzlich der Vater neben mir vernehmlich, obwohl ihn niemand gefragt hat, auch nicht seine Tochter. Die hatte bis dahin schön still zugehört, nun fängt sie an, Fragen zu stellen: Wie weit denn sechs Kilometer sind? Die Anwesenden erfahren, dass der Vater etwa einen Kilometer vom Theater weg wohnt und bis zur Oma sind es vier. „Und dann noch mal ein Stück, dann hat man sechs.“ Als er seiner Tochter und damit dem ganzen Saal erklärt, warum die Schauspielerin manchmal eine Mütze aufhat („dann ist sie der Meister“) und manchmal nicht („dann ist sie Hans“), schaue ich ihn ungläubig von der Seite an, was ihn aber nicht weiter stört. Ich weine ein wenig, innerlich. ANNA KLÖPPER