: Vater Staat kein geeigneter Partner
betr.: „Alleinerziehende suchen ein zuständiges Amt“ (Studentinnen, die bisher für ihre Kinder Sozialhilfe erhielten, werden nun vom Sozial- ans Arbeitsamt verwiesen), taz vom 11. 1. 05
Ich bin selbst alleinerziehende Studentin (und bisher Bezieherin von Sozialhilfe für meinen Sohn) und kann noch eine ernüchternde Geschichte zu eurem Artikel beitragen. Zwar hatte ich keine Probleme mit der Zuständigkeit (diese liegt weiterhin bei der gleichen Sachbearbeiterin, auch wenn sich deren Arbeitsplatz nun JobCenter nennt) oder mit verspäteter Auszahlung, beim Anblick des Alg-II-Bescheides für meinen Sohn (das ist schon absurd genug) kamen mir allerdings die Tränen: Ab sofort müssen wir von über 200 Euro monatlich weniger leben.
Besonders verrückt ist, dass die 207 Euro Regelbedarf für meinen Sohn schon allein durch den Erhalt von Kindergeld in Höhe von 154 Euro monatlich und 106 Euro monatlich Unterhaltsvorschuss (und das sind Beträge, die jede Alleinerziehende mindestens im Monat für ihr Kind erhält) überschritten werden. Zwar habe ich gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt, da ich davon ausgehe, dass er auf falschen Grundlagen berechnet wurde. Aber erfahrungsgemäß dauert das so ca. drei Monate, bis sich überhaupt etwas tut.
Was mich aufrecht hält, ist, dass ich mit meinen Voraussetzungen durchaus in der Lage bin, mich zu informieren und mich notfalls zur Wehr zu setzen. Aber was ist mit Menschen, die das nicht können? Auch habe ich ja wenigstens noch die Perspektive, dass dieser Zustand (hoffentlich) ein vorübergehender ist.
Es wird immer gefordert, man müsse vor allem die hochgebildeten Frauen dazu bringen, Kinder in die Welt zu setzen. Aber dafür, dass ich mir buchstäblich jeden Tag den Arsch aufreiße, um Kind, Uni und Arbeit unter einen Hut zu bringen, bekomme ich nur einen Tritt in den gleichen. Eigentlich kann ich nur noch mein Studium schmeißen, das Kind aus dem Kinderladen nehmen (denn das kostet ja auch nicht wenig Geld) und es vor der Glotze absetzen, denn Geld für Zoo oder Museum sind jetzt endgültig nicht mehr drin.
NAME UND ANSCHRIFT sind der Red. bekannt
Nicht nur in Berlin gibt es derartige Probleme. Ich bin alleinerziehende Studentin in Potsdam und habe für meinen Sohn Sozialhilfe und Wohngeld bekommen. Unterhalt bekommt mein Sohn nicht. Bereits im September habe ich einen Antrag für Januar gestellt. Trotz Nachfragen zur Bearbeitung wurde mir nie ein Bescheid zugeschickt. Den 4. 1. 05 habe ich damit verbracht, zwischen Sozialamt und Arbeitsamt hin und her geschickt zu werden. Abends gab man mir dann endlich einen neuen Antrag. Auch mein alter Antrag ist nicht auffindbar. Erfolg hatte ich aber bisher nicht, und die Miete will auch bezahlt sein. Auskunft bekomme ich beim Arbeitsamt nicht. Nun werde ich mir für die kommende Woche noch weitere Schritte ausdenken müssen. Ich habe schon so viel Zeit für Behördengänge vergeudet, dass das Studium schon manchmal viel zu kurz kommt. HEIDRUN GIESE, Potsdam
Als Vater einer alleinerziehenden Studentin kann ich bestätigen, dass auch meine Tochter denselben Torturen betr. Zuständigkeiten und Aktenverlust ausgesetzt ist, und zwar über Wochen. Bei mir ist der Eindruck entstanden, dass die ausufernden Kosten von Hartz IV u. a. zu Lasten eines Personenkreises gedrückt werden sollen, der es auch ohne Hartz IV schon schwer genug hat. Trauriger Höhepunkt war der Hinweis auf dem Sozialamt, wenn ihr Kind nichts mehr zu essen hätte, dann solle sie doch zur Caritas gehen. Letztlich konnte meine Tochter den gordischen Knoten der Abweisungsfront der völlig überforderten beteiligten Ämter nur dadurch lösen, dass ein Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses sie persönlich auf das zuständige JobCenter begleitet hat. HANS CANTOW