Vandalen gegen Gentrifizierung?: "Die Kultur geht flöten"
Seit ein Schuhladen nach Ottensen zog, wurde seine Scheibe mehrmals zertrümmert. Grund könnte der Rauswurf des Vormieters sein, eines Kiosks.
Löcher in der Scheibe, Klebeband darüber, ein Stein liegt im Schaufenster neben Stöckelschuhen. „Loveboots“ steht in pinken Lettern darüber, doch von Liebe ist hier in Ottensen seit Monaten keine Spur. Mehrmals wurde die Glasfläche des Schuhladens zertrümmert, bespuckt, mit Fäkalien beschmiert. Bis dato gab es acht Anzeigen. Die Motive seien kaum zu ermitteln, so ein Polizeisprecher.
„Es ist beängstigend, was wir durchmachen“, sagt Martina Petrovic, Gründerin von „Loveboots“, einem Hamburger Start-up-Unternehmen. Sie bekommt inzwischen nach der Arbeit Schweißausbrüche, kann nicht mehr schlafen, verlässt kaum noch das Haus – aus Angst, dass sie am nächsten Morgen erneut vor zerbrochenem Glas steht.
Petrovic ist zwischen die Fronten geraten. Denn bis vor einem Jahr war dort, wo nun ihr Geschäft steht, ein türkischer Kiosk. Dessen Mietvertrag lief aus und wurde nicht verlängert. Der Verwalter des Hauses, die Stöben Wittlinger GmbH, habe „einen falschen Schachzug gemacht“, sagt Petrovic.
Sie glaubt, dass sich die Aktionen gegen die Verwaltung richten. Deswegen werde auch „nur“ die Außenfassade zerstört. Denn der Verwalter muss für die neuen Scheiben aufkommen. „Jemand will sich an ihm rächen. Und wir müssen es ausbaden“, sagt Petrovic. Der Verwalter lasse sie inzwischen alleine und melde sich nicht mehr bei ihr.
Der ehemalige Betreiber des Kiosks, Bülent Erdagi, sagt, er habe nichts gegen die Betreiber von „Loveboots“. „Die können nichts dafür, dass mir gekündigt wurde. Das mit den Steinen macht mich traurig, ich hänge ja auch an diesem Gebäude. Es sind die Vermieter, die Mist gebaut haben.“
Vor der Kündigung habe er den Kiosk für 50.000 Euro renoviert, sagt Erdagi, der inzwischen ganz in der Nähe das spanische Restaurant La Plaza eröffnet hat. „Mir wurde damals versichert, wenn ich renoviere, darf ich bleiben.“ Er nahm einen Bankkredit auf, renovierte ein halbes Jahr lang. Doch dann: „Kündigung, ohne Grund, die Miete haben wir immer pünktlich bezahlt. Wir wurden einfach rausgeschmissen.“
Die Punks, die vor dem Loveboots-Laden ihren Treffpunkt haben, wollen „ihren“ Kiosk zurück. „Mit solchen Drecksläden kann doch keiner was anfangen“, sagt einer, „die Türken werden alle wegen ihnen vertrieben.“ Der Mann mit den Piercings und Tatoos im Gesicht zeigt auf den Schuhladen und das Accessoire-Geschäft „Six“; dort war früher ein Bäcker. „Es werden in Altona immer mehr davon, die Kultur geht komplett flöten“, meint er.
„Der Kiosk ist damals zurecht rausgeflogen, denn dort war ständig die Polizei“, erzählt dagegen ein benachbarter Kioskbetreiber. Der Laden sei bis in die Nacht hinein geöffnet gewesen, habe Alkohol an Jugendliche verkauft: „Es gab hier sehr viel Ärger.“
Der Geschäftsführer der Stöben Wittlinger GmbH, Axel-H. Wittlinger, sagt, dass der Eigentümer des Gebäudes die Familie Erdagi vermehrt darauf hingewiesen habe, dass der Mietvertrag nicht verlängert werde. „Dass es im Nachhinein zu solch kriminellen Handlungen kommen würde, war nicht abzusehen“, sagt Wittlinger. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Das kenne ich nicht.“
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