VPRT-Präsident Doetz über Medienkonkurrenz: "Wir brauchen gerechte Spielregeln"
Jürgen Doetz will die von ihm vertretenen Privatsender vor der Übermacht von ARD und ZDF bewahren. Dafür baut er auf eine unwahrscheinliche Allianz mit den Verlegern.
taz: Herr Doetz, Sie haben ARD und ZDF schon lange nicht mehr mit Brüssel gedroht. Das letzte Mal im Dezember. Neuerdings stimmen Sie sanftere Töne an. Was ist da los?
Jürgen Doetz: Sie kennen hoffentlich den Unterschied zwischen Altersweisheit und Altersmilde. Aber im Ernst: Es hat sich in der Zwischenzeit eben einiges verändert. So haben die Gremien von ARD und ZDF ein gewisses Selbstbewusstsein entwickelt - entgegen meiner Erwartungen, zumindest die von BR und WDR.
Das heißt?
Jürgen Doetz, Jahrgang 1944, studierte Politikwissenschaften, Soziologie und Geschichte in Heidelberg. Von 1976 bis 1982 war das CDU-Mitglied Sprecher der rheinland-pfälzischen Landesregierung. 1985 wurde Götz Geschäftsführer des privaten Fernsehsenders Sat. 1 und hatte den Posten bis 2004 inne. Seit 1996 ist er Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien.
Die haben nicht einfach alle Internetprojekte eins zu eins durchgewunken, die sie in den Drei-Stufen-Tests prüfen mussten. In einzelnen Verfahren haben die beiden Gremien sogar dafür gesorgt, dass die Sender ihre Konzepte noch einmal einschränken mussten, etwa bei der Frage, wie lange sie ihre Sendungen online zeigen dürfen.
Dann ist doch alles gut.
Leider nicht. Die Politik konnte sich bis heute nicht dazu durchringen, den Auftrag von ARD und ZDF endlich konkreter zu definieren. Während Großbritannien für die BBC die Abschaffung der Gebührenfinanzierung hin zu einer freiwilligen Abgabe diskutiert, fehlt den Politikern hierzulande der Mut, über Grundsätzliches zu entscheiden. Dafür haben die Länder nun immerhin eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die in wenigen Wochen das leisten soll, was seit Bestehen des dualen Rundfunks zuvor nicht möglich war. Ich bin angemessen gespannt!
Aber Drei-Stufen-Tests, die Privatsender vor einer Übermacht von ARD und ZDF im Netz schützen sollen, haben Sie doch gewollt. Sie waren es doch, der Brüssel auf den Plan gerufen hat. Warum beschweren Sie sich jetzt?
Wir wollten ein unabhängiges Verfahren und nicht, dass die Gremien der Sender die Angebote prüfen. Außerdem haben die Länder in Umsetzung der EU-Entscheidung Allgemeinplätze definiert - dass gebührenfinanzierte Internetangebote in bestimmten Fällen einen "Sendungsbezug" haben müssen und nicht "presseähnlich" sein dürfen - dann aber die Player allein gelassen. Die Folge sind Schwachstellen, die nun ausgebügelt werden müssen. Da bin ich sehr dafür, dass sich die Betroffenen - Privatsender und Verleger, auch ARD und ZDF - an einen Tisch setzen und ernsthaft klären, ob wir einen Kompromiss finden können.
Das klappt doch nie!
Warum nicht? Wir Private haben gute Kontakte untereinander, aber leider immer mit einer angezogenen Handbremse. Vor allem Markus Schächter vom ZDF war damit ganz erfolgreich, den Verlegern so eine Allianz des Qualtätsjournalismus schmackhaft zu machen, während er gleichzeitig zum Angriff auf ihre Bastionen blies.
Die Verleger wollten also Ihnen die Drecksarbeit überlassen?
Die Verleger hatten lange kein Problem mit den Öffentlich-Rechtlichen oder nur auf einzelnen Baustellen. Es braucht aber einen Widerstand gegen die Generallinie von ARD und ZDF: die ungezügelte Ausbreitung in alle Märkte.
Gemeinsames Lobbying?
Ein gemeinsam abgestimmtes Lobbying und eine grundsätzliche Solidarität. Deshalb bin ich auch vor einem halben Jahr in die Diskussion um die "Tagesschau"-App eingestiegen. Am Ende steht übrigens nicht der Kampf gegen einzelne Projekte, sondern für eine neue Medienordnung.
Das müssen Sie erklären.
Wir leben bisher in einer rundfunkzentrierten Regulierung. Die nimmt aber allenfalls in Ansätzen zur Kenntnis, dass wir im Onlinezeitalter angekommen sind, wo sich die Medien treffen, die bisher auf unterschiedlichen Märkten unterwegs waren: das Fernsehen, Zeitungen wie Zeitschriften und eine Vielzahl anderer Anbieter wie etwa Telekommunikationsunternehmen oder Suchmaschinenbetreiber.
Aber hat der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, nicht kürzlich ohnehin gesagt, dass auch Internetangebote letztlich Rundfunk sind?
Das war sicher schon ein sehr geschickter Schachzug der ARD, die das Gutachten immerhin bezahlt hat. Die Folge wäre, dass ARD und ZDF auch im Netz zu schützen wären. Aber Herr Papier ersetzt nicht die Politik. Die muss die Medienregulierung hingegen auf ein neues Fundament stellen.
Was wäre das Ziel?
Dass eine Regulierung alle Mediengattungen im Blick hat. Dahin kommen wir nur gemeinsam. Wenn Rundfunker und Verleger unabhängig voneinander argumentierten, käme nur wieder eine sektorale Regulierung heraus, weil die Politik dann denkt, sie müsse zwei unterschiedliche Bereiche regeln. Daran müssen wir arbeiten. Dafür müssen alle Privaten ihre Interessen bündeln und auch gemeinsam kampagnenfähig werden.
Kampagnenfähig, wie bitte?!
Ach, das ist die ARD längst. Nehmen wir Michael Hanfeld: Die ARD versucht gerade, den FAZ-Autor ans Kreuz zu nageln, bloß weil der das besagte Papier-Gutachten infrage stellt.
Sie finden Hanfelds verlegertreue Kommentare also in Ordnung?
Wenn sie sehen, wie die ARD ihr Programm für die eigenen Interessen instrumentalisiert, müssen sie auf so einen Klotz eben auch mal richtig draufschlagen. Da kommen sie nur mit gefälligen Betrachtungen nicht mehr weit, weil sie dann keiner mehr hört. Die ARD hat doch selbst vorgemacht, wie das geht - denken wir nur allein daran, was ausgerechnet der Chef des Netzwerks Recherche und SWR-Chefreporter vorgelegt hat.
Sie meinen Thomas Leif und dessen Doku "Quoten, Klicks und Kohle"?
Genau. Im Angesicht solcher Glanzstücke des "objektiven Journalismus" müssen sich auch unsere Kreise zu ihren medienpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten bekennen: Dann müssen auch wir das Thema Medienpolitik in unseren eigenen Inhalten pflegen.
Waren Privatsender und Verleger nicht mal eng beieinander? Nachdem Sie 1984 als Senderchef das Programm von Sat.1 eröffneten, folgten News der FAZ - heute undenkbar. Damals hatten sich viele Verlage im Privatfernsehen engagiert. Woher kommen die jüngsten Differenzen?
Einst wurde ja auch darüber nachgedacht, im Zeitungsverlegerverband BDZV eine Arbeitsgruppe für den privaten Rundfunk zu gründen. Damals kam man zu dem Ergebnis, dafür besser einen eigenen Verband zu initiieren. Das hatte seinen Grund: Medienpolitik für Fernsehen und Hörfunk verhieß Regulierung. Und natürlich wollte keiner die Regulierung der Zeitungsbranche, die ja sehr frei ist, mit dem Regulierungswahn verquicken, der nun für den Rundfunk galt.
Eine völlig andere Kampfformation als sie jetzt gebraucht wird. Ein Problem?
Nein, für eine Fusion bin ich nicht. Es geht um eine Kooperation vor allem in zwei Punkten: Schluss mit der öffentlich-rechtlichen Expansion und weg von der Rundfunkzentrierung der Regulierung für die Privaten. Das heißt, Schluss mit dem ganzen Übel, mit dem wir uns ständig herumplagen müssen. Wir brauchen gerechte Spielregeln. Und um diese Ziele vor dem Hintergrund des bisher üblichen Übermaßes an politischer Zuwendung für die Anstalten zu erreichen, könnten wir Private uns durchaus effizienter aufstellen.
Um stärker auf ARD und ZDF draufzuhauen?
Wir stehen, und das nehme ich sehr ernst, einer neuen Intendantenriege gegenüber - mit Leuten wie dem ehemaligen Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, der bald den BR leiten wird, mit Lutz Marmor vom NDR oder Monika Piel als künftiger ARD-Vorsitzenden. Das sind politisch ausgezeichnet vernetzte Persönlichkeiten, verdammt ausgeschlafene Ladies und Gentlemen, die die Klaviatur beherrschen und erkannt haben, welche Power sie haben können. Noch ein guter Grund, die Schlachtordnung der privatwirtschaftlichen Inhalteanbieter zu verbessern. Nicht zuletzt mit Blick auf künftige Herausforderungen, die wir möglicherweise dann auch gemeinsam mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten zu bestehen haben.
Eine Geschichte über die Entfremdung zwischen Privatsendern und Verlegern lesen Sie in der aktuellen Sonntaz.
Interview: Daniel Bouhs
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