VON „GRÜNEN DSCHIHADISTEN“ : Les Verts sind aus der Mode
RUDOLF BALMER
Wenn sich im Sommer die Ufer der Seine in einen Strand verwandeln, ist „Paris Plage“ eine Attraktion. Die wirkliche Plage von Paris ist aber der Autoverkehr. Und so bin ich für Fahrverbote und Radwege, um das Gewühl zu entzerren. Aber es ist absurd, dass ich eine halbe Stunde im Quartier herumkurven muss, bis ich einen Parkplatz finde. Der Parkraum ist so knapp, weil die Pariser Grünen den Autofahrer auf diese Weise zwingen wollen, auf sein Fahrzeug zu verzichten.
Müssen mir Umweltschützer meinen Anteil zum Klimaschutz vorschreiben? Immer mehr Franzosen antworten „non!“ – und nehmen sich die Ökos zur Brust. Le Monde hat den Trend „Ecolo-Bashing“ getauft. Gemeint ist damit eine oft unter die Gürtellinie zielende Kritik an den Grünen. Sie sind die Sündenböcke für alles, was Bürgern das Leben versauert: Bestimmungen, Normen, Regeln, Verbote.
Während die deutschen Parteifreunde bald in acht Landesregierungen sitzen und sich nach der Pleite mit dem Veggie-Day gerade das Verbieten verbieten, werden die französischen Grünen in den Medien wie politische Schmuddelkinder behandelt. Das Schlimmste: Die Grünen sind weitgehend selber schuld daran. Seit ihrem Austritt aus dem Kabinett von Manuel Valls stehen sie mit einem Fuß halb im Regierungslager, mit dem anderen halb in der Opposition – und mit beiden im Abseits.
Das Grünen-Bashing bringt Kollateralschäden mit sich: Mit Les Verts im Boot sitzen nämlich alle Natur- und Umweltschützer, die wichtige Anliegen verteidigen. Schon hat der konservative Exminister Claude Allègre, ein Leugner des Klimawandels, das Schlagwort von der „Ökologie ohne Grüne“ geprägt. Hängten sich einst sogar Politiker wie Expräsident Nicolas Sarkozy ein grünes Mäntelchen um, wird heute alles, was nach „Öko“ klingt, als Störfaktor betrachtet. Wirklich beliebt waren grüne Ideen ja nie in dem Land, wo Kommunisten und CGT-Gewerkschafter stets zu den eifrigsten Befürwortern der Atomenergie gehörten.
Dabei ist es durchaus eine Ehre, von der mächtigen Großbauern- und Agrobusiness-Lobby FNSEA als „grüne Dschihadisten“ oder „grüne Khmers“ verleumdet zu werden. Die Kluft zwischen Umweltschützern und der intensiven Landwirtschaft ist alt und unüberbrückbar. Auch der Abschied von Atomstaat und von Fracking sind Markenzeichen. Sie verärgern eine Menge Leute, sind aber für die Partei nicht verhandelbar.
Dachte ich jedenfalls. Aber dann wurden die Grünen unter Präsident François Hollande 2012 Juniorpartner in der Regierung. Die Sehnsucht nach Ministerposten war groß. In der naiven Hoffnung, die Macht mit den Sozialisten teilen zu können, akzeptierten die Grünen-Chefs faule Kompromisse. Ein Beispiel: Bis 2017 sollte nur ein einziger Reaktor stillgelegt werden – wenn überhaupt. Als aber Hollande immer unpopulärer wurde, verließen die Verts die Regierung, um deren Politik von außen zu kritisieren – als ob sie mit dem Kurs nicht das Geringste zu tun gehabt hätten.
Das hat die Grünen viel gekostet. Und wenn jetzt Exministerin und Parteichefin Cécile Duflot mit Hollande und Valls in einem Buch abrechnet – und selbst bereits auf die Präsidentschaftskandidatur 2017 spekuliert – wundert es kaum, dass „Ecolo-Bashing“ zum Zeitvertreib der Franzosen geworden ist.