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Archiv-Artikel

VOGELGRIPPE: CHINA SCHWANKT ZWISCHEN ARROGANZ UND HILFLOSIGKEIT Das Virus und ein krankes System

Das arme Vietnam meldet den ersten vermuteten Fall einer Übertragung des Vogelgrippevirus H5N1 von Mensch zu Mensch. Ist die menschliche Übertragung des Virus tatsächlich möglich, erhöht sich die Gefahr einer weltweiten Grippeepidemie, die nach Meinung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Millionen Opfer fordern könnte.

Angesichts eines solchen Katastrophenszenarios ist es kein Wunder, dass alle Welt dem Entwicklungsland Vietnam bei der Vernichtung seiner 250 Millionen Hühner helfen will. Ganz anders verhält es sich im Fall China. Hier gibt es allein in der Provinz Guangdong über eine Milliarde Hühner. Schon hat sich die Seuche in einem Drittel aller chinesischen Provinzen ausgebreitet. Jeden Tag kommen neue Ausbrüche hinzu. Das legt den Schluss nahe, dass die Ausbrüche gar nicht so neu sind und die kommunistische Regierung wie im Anfangsstadium der Sars-Epidemie vor einem Jahr frühe Alarmsignale bewusst kaschierte. So erklärt sich, dass sich China heute in Sachen Vogelgrippe mehr Schuldzuweisungen als Hilfsangeboten ausgesetzt sieht. Zwei Dinge, sowohl die immense Dimension des Problems als auch die Arroganz der Herrschenden, erschweren die internationale Solidarität mit der Volksrepublik.

Das trifft nicht nur bei der jetzigen Epidemiegefahr zu, sondern auch bezüglich der in China schlummernden Umweltrisiken, etwa des international unverträglich hohen Kohleverbrauchs. Peking weiß selbst nicht, was es will: Erste Welt sein und sich Problemlösungen Herr fühlen – oder Dritte Welt sein und um Hilfe bitten. So bleibt das große Land unverstanden.

Hier aber liegt ein hohes Risiko – gerade auch bei der Vogelgrippe. Die Sars-Epidemie bekämpfte China erst wirkungsvoll, als sie für die Kommunisten mit der Machtfrage verknüpft war. So funktioniert ihr System. Doch darauf kann sich die Welt diesmal nicht verlassen. Das H5N1-Virus wäre, falls es zur Ansteckung unter Menschen kommt, viel ansteckender als das Sars-Virus. China wäre über Nacht das Zentrum der Epidemie – und vermutlich hilfloser als das arme Vietnam. GEORG BLUME