■ VLB: Sülzwürzfleisch
„Traurig studierte die Baroneß die Speisekarte der DSG: ,Hm, Sülzwürzfleisch mit Graubrot an Schmalz, 35 Mark 50. Man möchte meinen, man säße im Intercity ,Oswald Spengler‘!“ Simone Borowiaks neuer „Schundroman für die gebildeten Stände“ über Baroneß Bibi, die sich heldenhaft aufmacht, die rätselhaften Kanzlermorde aufzuklären und dabei allerlei von der Welt zu sehen bekommt, könnte ein paar mehr Witze von dieser Qualität gebrauchen. Und die Autorin sollte, wenn sie die gebildeten Stände nicht verprellen will, unbedingt darauf verzichten, die Witze dergestalt zu erklären: „Und während die noch über diesen pfiffigen Konnex – ,Untergang des Abendlandes‘ und Eßkultur der Deutschen Schlafwagen Gesellschaft – nachsann, erreichte der Zug unter Pfeifen seinen Zielort...“
Geschenkt! Ein bißchen was muß man schon riskieren, und gegen die Angst, daß die Pointen auf unfruchtbaren Boden fallen wie Onans Samen, hilft nur Masse. (Zugegeben, ein nicht ganz passendes Bild, aber man muß sich heutzutage ja immer krassere Sachen einfallen lassen, wegen der Reizüberflutung der Leserschaft durch die elektronischen Medien.) Sehr schön ist dann aber der Running Gag mit der elliptischen Sprache der Bild-Zeitung. Baroneß Bibis Geistesblitze kommen nämlich durchweg in dieser Diktion daher: „Er ist so weltgewandt, beherrscht so viele Sprachen!“ – „Er ist großartig, besitzt Autorität.“ Und in diesem Sinne muß man sagen: Simone Borowiak hat Charme, kann schreiben. Ihr Roman ist witzig, bringt zum Lachen. Sie hätte nur noch ein wenig daran feilen, ihn aufarbeiten sollen. Die Witze sind zu wenige, machen Lust auf mehr.
Simone Borowiak: „Baroneß Bibi“. Eichborn Verlag, 108 Seiten, geb., 19,80 DM
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