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VILLAGE VOICETeutonische Mainstream-Ästhetik

■ Neue Platten von der Berliner Bluesband Engerling und von Big Savod and The Deep Manko aus Meißen

Neben den ehemaligen Vorzeige-Rockern Karat und Puhdys ist auch die Berliner Bluesband Engerling mittlerweile ein anachronistisches Relikt aus der früheren DDR. Musikalisch zumindest entfernen sich Engerling nicht weit von ihren Kollegen. Bis zur Langeweile kultivieren sie einen gepflegten Blues-Pop mit dem ach so typischen Deutschrock-Approach. Durch die sattsam bekannten Harmonieverbindungen und die dezent dahinplätschernden Grooves haftet den Engerling- Songs immer teutonische Mainstream-Ästhetik mit dem obligatorischen Hang zur Peinlichkeit an, obwohl sich die Gitarristen größte Mühe geben, amerikanische Blues-Licks lässig herauszubringen. Gerade diese äußerste Souveränität im Spiel ist aber der Knackpunkt: Die fünf Jungs um Sänger und Tastenspieler Wolfram Bodag gehen so abgeklärt und routiniert ans Werk, daß statt rauhbeiniger Leidenschaft — in den meisten Fällen wohl die wesentliche Faszination des Blues — nur frostige Kälte aus der Engerling-Musik strahlt.

Etwas versöhnlicher dagegen stimmen einige der Texte. Eine ostdeutsche Band macht sich ans Werk, die politische Geschichte ihres Landes, den allgemeinen Stimmungswandel von anfänglicher Euphorie zu verbitterter Resignation zu dokumentieren. So wurde Bob Dylans The Times Are A-Changin' bei den Engerlingen zur optimistischen Revoluzzerhymne Es kommen andere Zeiten, die — geschrieben zur Zeit des legendären »Runden Tisches« — symptomatisch die Sehnsüchte und Hoffnungen eines (scheinbar) neuen Aufbruchs belegt. Aus heutiger Sicht jedoch rät der Komponist und Texter Bodag, den Song »wie ein vergilbtes Dokument aus vergangenen Tagen« zu lesen, und setzt dagegen im später entstandenen Herbstlied folgende nostalgisch-ironische Zeilen: »War das nicht 'ne herrliche Zeit / Jeder war zum Aufruhr bereit / Plötzlich war es allen klar / Wo da was zu rühren war / Wo da was zu wenden war.«

Big Savod and The Deep Manko gehen dagegen einen ganz anderen Weg. Konsequent singen und spielen sie englisch — sogar verdammt englisch. Von ihrem britisch-traditionalistischen Gitarrenpop läßt sich jedenfalls nicht auf Big Savods Heimatstadt Meißen schließen. 1987 nach Ost-Berlin umgezogen, erweiterte sich der Dreier-Rumpf der Band um Akkordeon und Saxophon und orientierte sich an Ska und Postpunk. Diese Phase ist nun abgeschlossen; in der klassischen Fünfer-Besetzung mit zweimal Gitarre, Baß, Schlagzeug plus dezenten Keyboards geht es auf dem Debütalbum Small Town Girl schlicht und schnell zur Sache.

Die Sache, das ist ein leicht folkloristischer Gitarren-Beat-Punk, wie man ihn beispielsweise von den Hooters kennt. Was dort die Melodica anstellt, übernehmen bei Big Savod zwei Gastmusiker mit Akkordeon und Saxophon, die sich an den zerrenden und drängenden Gitarren reiben, mit ihnen zusammen immer nur kurz Akzente setzen und dann wieder dem Gesang das Feld überlassen. Das Schönste aber an dieser Art von melodischem Gitarrenpop ist, daß kein Ton zuviel ist oder gar an der falschen Stelle sitzt. So war schon immer vor allem Livemusik beschaffen, und auch Big Savod sind in erster Linie eine Live-Band, derzeit in den neuen Bundesländern unterwegs.

Wer hören will, wie britische Musik von Deutschen gespielt wird, der kann sich ihren Auftritt in der Berliner Kulturbrauerei für den 2. Mai vormerken. Peter Bickel

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