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VILLAGE VOICEZielsicher destruktiv, ohne professionellen Frohsinn

■ Neue Platten vom Audoquartett und Frog Sandwich

So ist das Leben in 36. Die Welt ist immer noch schlecht und häßlich. Den Sex machen Prothesen, Videos und Autos. Das Audoquartett hält Lärm dagegen. Die Musiker aus dem endart-Umfeld besinnen sich wieder auf ihre eigenen niederen Instinkte, mit denen sie die Gefühlsschmach der Technik kompensieren. Krach soll guttun, vielleicht wird manchmal sogar ein wenig Musik daraus. Hier heißt die Devise ganz einfach: Blasen, Kreischen, Hauen, Sägen.

Dazu hat sich ein listiger Mensch gesellt, der spitzelnd mit einem Mikrophon durch die Weltgeschichte rast, um so manchen spektakulären Ausspruch für die Platte zu archivieren. Gleich zu Anfang hat er die Szenenudel Christian Specht als naturwüchsigen Kabarettisten bei einer witzigen Geschichte über das Fahren ohne Führerschein eingefangen. Hoffentlich denkt das Quartett an die Urheberrechte. Die Ausführungen zum Besamen von Säuen dagegen dienen mehr der Öffentlichkeitsarbeit zur Volxaufklärung. Der Rest ist Jazzcore mit der erklärten Absicht, Melodie zu vermeiden. Mitunter fragt man sich, warum, da Trommel oder Saxophon offensichtlich auch anders können. Die Grüße an Herrhausen, Braunmühl, Rohwedder und Schleyer runden das Bild ab: Das Audoquartett schafft viel Platz und bekennt: Audos sind doof. Zielsicher destruktiv, ohne Umwege.

So kratzbürstig und lebenskünstlerhaft durchgeknallt wie vor zwei Jahren geben sich Frog Sandwich auf ihrer neuen Platte »wormy eat monster« ganz und gar nicht mehr. Aus Chaos wurde Hardcorerock und aus dem überspitzt schrillen Operngesang von Julie Q. Froxx hat man die Anzüglichkeiten im Obertonbereich per Studiotechnik herausgefiltert. Stirbt da etwa ein Avantgarde- Pflänzchen im Untergrund an der Routine? Noch schlägt das Herz in New-Wave-Klassikern wie »banana tree« und »elmore the killer chihuahua«, noch brutzelt der Strom in den Gitarren bei »dorky days«, und auch Julie kreischt so frisch hysterisiert/frisiert, als käme sie vom »Planet Claire«. Die großen Vorbilder heißen dementsprechend B'52, wobei Frog Sandwich auf jegliches Disco-Ambiente und professionellen Frohsinn verzichten. Völlig unschuldig werden Raumfahrerträume aus tausendundeiner Patrouillennacht zu Ende geträumt.

Raumschiff, Wasserballon und kleine Monster aus dem All oder vom Strand gehören zu der Welt des überkandidelten Trios wie Cowboyhüte zur Bonanza-Familie der Cartwrights, zu der sich die Frog Sandwich wie der chinesische Koch verhalten. Einzig der hohe Anteil an gut einstudierten Rockismen irritiert. Häufig schraubt die Gitarre in den Intros am Mythos der Dead Kennedys herum, reißt den Hallraum auf und gebärdet sich, als gebe es noch unerforschte Griffbrettfläche zu entdecken. Dann ließe sich noch einiges vom Audoquartett lernen, was das Hauen und Sägen betrifft. Vielleicht befinden sich Frog Sandwich aber auch ganz einfach nur auf einem anderen Kurs, der da hieße: Pop. Wie Würfelzucker. Harald Fricke

Das Audoquartett (Eigenvertrieb)

Frog Sandwich: wormy eat monster

(Eigenvertrieb)

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