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VILLAGE VOICERingelreihen im Reifröckchen

■ Das Debüt-Album von Seventh Heaven

Daß die Unterscheidung zwischen Independents und Majors bestenfalls noch markttechnisch, aber nicht mehr musikalisch Sinn macht, beweisen auf ein neues Seventh Heaven. Nicht nur ihr Name taugt zum freien Fall in die Charts. Auf dem selbstbetitelten Debüt der ehemaligen Indie-Band ist fast alles vorhanden, was elektrische Gitarren vor wenigen Jahren noch gut verkäuflich machte. Ein Stück heißt gar wie Band und Platte und ist vielleicht programmatisch zu verstehen. In diesem jagen sich die Bottleneck- Gitarren so kitschig, als würden ein paar alte Blueser im Reifröckchen in einem englischen Park Ringelreihen um die saftig-grünen Bäume spielen. Exakt das Ausdünnungsmuster, mit dem schon Chris Isaak seine erste Million zusammenscharrte. Die zugehörige Melodie wäre aber sogar ihm zu schmalzig gewesen.

Doch wo Schatten ist, ist auch Licht — meistens zumindest. Wenn Seventh Heaven das Tempo etwas anziehen und sich auf das verlassen, was sie können, nämlich einen technisch sauberen, anspruchslosen Sixties-Pop zu spielen, werden sie so erträglich, daß einem keine Schöneberger Bar einfallen würde, wo diese Platte unangenehm auffiele. Sollte allerdings irgend jemand auf die Idee kommen, anschließend sofort — sagen wir mal — die Byrds zu spielen, mag das dem einen oder anderen aufstoßen. Wieder ganz andere mögen denken und sagen, daß Seventh Heaven die flirriflarri 60ies konsequent in die Jetztzeit überführen. Laß sie reden, ich bin da mehr fürs Original, denn das hatte Tiefe. Seventh Heaven mögen zerren und jodeln von loneliness und wastelands singen, wie sie mögen, psychedelisch wird das vielleicht in ihrem nächsten Leben. Dies hier ist so durchdacht, abgekupfert, schamlos durchgerechnet, daß man zwar seine Freude dran haben kann, aber eben auch ungute Gefühle bekommt. Als hätten sie das selbst erkannt, singen sie denn auch: »And I'll sail away/ Escape my yesterdays/ But I'll back one day/ I'm gonna try again to tear you away«.

Daß Seventh Heaven wissen, was sie machen, und vor allem, wie sie's zu machen haben, wird schon garantiert durch die Tatsache, daß sie gar nicht so sehr die neue Band sind, als die sie der neue Name ausweist. Schon seit Anfang der 80er Jahre spielen sie zusammen, erst letztes Jahr wurde ein Mitglied ausgewechselt und der windschnittige Name gewählt. Vorher hieß man Volume Unit, stammte ursprünglich aus Milwaukee, zog 1983 nach Berlin um, spielte gern und häufig — lange vor dem Mauerfall — im Osten und hatte genausoviel oder -wenig Erfolg wie Tausende von anderen Bands auch. Als Volume Unit wurden sie noch gerne mit Television oder Wire verglichen, aber nach denen kräht bekanntermaßen schon länger kein Hahn mehr, deshalb hatten sie es wohl auch etwas schwer, sich aus der Dauerposition als Vorgruppe herauszuspielen.

Was also lag näher als ein Imagewechsel, der wesentlich reibungsloser verläuft, wenn der alte Name wegfällt. Die Anfettung des Sounds, mit Julian Standen ein nahmhafter Produzent (Soup Dragons, Big Country, Siouxie and the Banshees), und mit der »Deutschen Schallplatten GmbH« ein quasi Major im Rücken, sollen den Weg an die Fleischtöpfe öffnen. Doch ob dies gelingen wird, darf bezweifelt werden. Denn die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage genügen eben keine Second-Hand-Melodien und ein wenig nettes Gitarrengeklimper mehr. Das mußten auch schon die Rainbirds direkt anschließend an »Blueprint« erfahren. Thomas Winkler

Seventh Heaven: »Seventh Heaven«, Zong/ Deutsche Schallplatten Berlin 3525-2

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