VERMITTLUNGSAUSSCHUSS MACHT SEINEM RUF ALS DUNKELKAMMER EHRE : Sieg der Tabakindustrie
Politik ist, wenn es nachher wieder keiner gewesen sein will. Und kein Gremium eignet sich fürs Nicht-gewesen-Sein besser als der Vermittlungsausschuss des Bundestages. Er trägt den Zweitnamen „Dunkelkammer“ nicht umsonst: Hier wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit an bereits abgestimmten Gesetzen noch einmal gezerrt und gebogen, werden Verantwortlichkeiten übernommen und abgelehnt, dass es nur so eine Art hat. Am Ende kommen dann Beschlüsse heraus, die sachlich nicht mehr zu erklären sind – aber dafür darf man sie dann „Kompromiss“ nennen und bedauernd die Schultern zucken. Schönes, frisches Beispiel: die Tabaksteuer.
Mit einer Tabaksteuererhöhung um 1,5 Cent pro Fluppe in drei Schritten ab Januar 2004 sollen, dies zur Erinnerung, familienpolitische Leistungen der Krankenkassen – etwa Mutterschaftsgeld – finanziert werden. Es handelt sich dabei um einen Beitrag des Finanzministers Hans Eichel zur Gesundheitsreform seiner Kabinettskollegin Ulla Schmidt, den dieser freilich von vornherein nicht leisten wollte. Eichel musste jedoch erleben, dass sich die SPD-Fraktion auf die 1,5-Cent-Erhöhung festlegte, woran auch eifriges Gekungel im Finanzausschuss nichts mehr ändern konnte. Aber es gibt ja den Vermittlungsausschuss!
Die Tabaksteuer wurde in den Verhandlungstopf des Vermittlungsausschusses gegeben und dann gründlich so oft durchgerührt, bis auch die SPD offenbar vergaß, dass es sich bei der Erhöhung gar nicht um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelte. Dann ließ man den Topf so lange auf dem Feuer sitzen, bis die Klage der Tabakindustrie, die Frist bis zum 1. Januar sei zu kurz, um neue Banderolen mit neuen Preisen zu bedrucken, irgendwie berechtigt klang. Nun musste man nur noch behaupten, dass eine Verschiebung ins Frühjahr unausweichlich sei und die CDU aber dafür ein Entgegenkommen verlange. Et voilà: Fertig ist die weich gekochte Tabaksteuererhöhung von 1,2 Cent pro Zigarette, die der Gesundheitsministerin schwerlich munden wird. Der Tabakindustrie aber natürlich umso besser.
Das stinkt zum Himmel – weit schlimmer als Zigarettenrauch. ULRIKE WINKELMANN