VENEZUELAS PRÄSIDENT HUGO CHÁVEZ GLATT WIEDER GEWÄHLT: Leichtes Spiel
Hugo Chávez hat es schwer: Venezuelas Wirtschaft hat den Präsidenten im Stich gelassen – das Kapital ist aus dem Land gegangen, das Bruttoinlandsprodukt ist geschrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt. Hugo Chávez hat es leicht: Die Wähler stimmen trotzdem für ihn. Venezuelas Exputschist hat sich in den inzwischen zwei Jahren seiner „bolivarianischen Revolution“ mehrfach legitimieren lassen. Dass er mit klarer Mehrheit wieder gewählt wurde, vermochte daher kaum zu überraschen – dass die Wähler Schlange standen, um ihre Stimme für Chávez abzugeben, schon eher.
Der pathetische Revolutionsdiskurs des ehemaligen Offiziers verweist auf ein Problem, mit dem sich viele lateinamerikanische Staaten herumschlagen: Ihre Wirtschaft hat sich längst globalisiert, doch das Angebot, das sie auf dem Weltmarkt machen können, ist kaum moderner geworden. Intern sind sie noch dabei, durch umfangreiche Privatisierungsprogramme die staatliche Interventionspolitik der Siebzigerjahre abzuschütteln – doch ein gangbarer, neuer Diskurs ist nicht entstanden.
So verteidigen lateinamerikanische Wähler nicht selten die Übersichtlichkeit der alten Welt. Lateinamerikas Populismus, ob von links oder von rechts, setzt der von der Globalisierung diktierten Steuerungsunfähigkeit der nationalen Regierungen die Wiederauferstehung des Primats der Politik entgegen. Die beiden Hauptkonkurrenten um die Macht in Venezuela, Hugo Chávez und Francisco Arias, waren Militärs und Exputschisten – und auch das ist nicht untypisch. Ist doch das Militär – trotz regionaler Zusammenarbeit mit den Streitkräften anderer Länder – diejenige Institution, die am konsequentesten nachvollziehbares Handeln im nationalen Kontext zu verkörpern scheint. In dem Maße, wie eine miteinander verflochtene Führungsschicht aus korrupten Politikern, Unternehmern und alten Oligarchen die in den Achtzigerjahren begonnene Demokratisierung diskreditiert, haben die Chávez’ Lateinamerikas bei den Wahlen ein leichtes Spiel. Die Enttäuschung kommt dann erst viel später.
BERND PICKERT
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