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Die VorschauUtopia ganz nah

■ Vortragsreihe in der Bremer Universität

Vor fast 400 Jahren legte William Shakespeare „seiner“Miranda einen Satz in den Mund und den InterpretInnen ein Kuckucksei ins Nest: „Oh schöne neue Welt, die solche Bürger trägt“, ließ er sie am Ende des „Sturm“ausrufen. Doch was nach einem Happy end klingt, ist tatsächlich eine Verkennung der Tatsachen, denn Miranda weiß nicht, von welchen Schurken sie umgeben ist. Bei Utopien, so lehrt schon Shakespeare, ist Skepsis angebracht. Und mit dieser skeptischen Neugier wagen sich die Veranstalter einer Vortragsreihe unter dem Titel „Utopien, tot oder lebendig?“an das Thema heran.

Utopie kommt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Worten „u“für „nicht“und „topos“für „Ort“zusammen. Mit Beginn der europäischen Entdeckungswut erlebte die Utopie eine Blüte: Angefangen bei Morus wurden geheimnisvolle Inseln zur Projektionsfläche für positive Gesellschaftsentwürfe oder bitterböse Satiren. Später entdeckten PhilosphInnen das utopische Denken für sich. Die fernen Inseln rückten in die Nähe, das Paradies und dann auch die Hölle wurden irdisch. Bis 1989 das Gerede vom „Ende der Utopien“begann.

„Diesen Begriff fand ich schon damals lächerlich“, sagt Helmut Hafner, der die Reihe zusammen mit dem Dokumentarfilmer Karl Fruchtmann und Alfred Paffenholz (Radio Bremen) organisiert hat. Schon spricht Hafner vom Kapitalismus als menschenfressender Maschine oder vom Träumen von Liebe und Gerechtigkeit und hat damit gleich alle Impulse für utopisches Denken beisammen.

Die politische Theologie oder die unvermeidlichen Antipoden Bloch und Adorno markieren nur einige der Themenschwerpunkte, die Hafner und Co ihrem Publikum nahebringen wollen. Also geben sich Leute wie Johannes Beck oder Oskar Negt die Klinke in die Hand, wobei mit Gregor Gysi als einzigem Parteipolitiker ein Name besonders hervorsticht. Hafner: „Das Thema Kommunismus sollte vorkommen, und mit Gysi haben wir jemanden, der diese Utopie noch immer nicht aufgegeben hat.“Politische Würze dürfte auch Klaus Häfner ins Spiel bringen, der vor einem Jahrfünft im Schattenkabinett der Bremer CDU vertreten war und sich in virtuellen Welten auskennt.

Schon einmal hat das Trio in einer Reihe Gespür für streitbare Themen bewiesen. Selbst wenn literarische Utopien im neuen Programm ausgespart blieben, dürften sich auch ohne Shakespeares Miranda genug Gelegenheiten ergeben, unsere schöne neue Welt so utopisch wie skeptisch unter die Lupe zu nehmen. ck

Auftakt am 17. April um 17 Uhr im Bibliothekssaal der Uni

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