: Urwaldtrip
■ Bremer Kids waren in Sachen Umweltschutz auf Tour in Costa Rica
Costa Rica? Die wenigsten jungen Leute unter 20 verbinden mit dem mittelamerikanischen Land mehr als die Namen von zwei entführten – und jüngst unversehrt freigelassenen – europäischen Touristinnen. Wenn überhaupt. Im Lagerhaus Schildstraße ist das anders. 17 internationale Jugendliche und junge Erwachsene der „Kinder- und Jugendinitiative“ sind mittlerweile schon von ihrem zweiten Mittelamerika-Trip zurückgekehrt. In ihrem Jugendzentrum geben sie sich nachträglich relaxed und ein bißchen leidenschaftlich, gerade so wie man es von jungen WeltenbummlerInnen erwarten würde – und meinen, daß es sicher keinen besseren Ort für die anschaulichen Lektionen in Sachen Umweltschutz und Natur gegeben hätte.
„Mensch, diese tausend Schmetterlinge. Sowas hast Du noch nie gesehen. Und Spinnen. Handtellergroß.“ Wenn diese Tierchen beispielsweise wegen der Rodung der Urwälder draufgingen, wäre das ein herber Verlust für die ganze Welt, sagen sie. Und daß es eben eindrucksvoller sei, in den Urwald zu fahren, als an den Naturpark Deutsches Wattenmeer.
Die Gruppe ist voll im Bild: Über die zwölf Klimazonen in dem relativ kleinen Land. Über die „wahnsinnige Vielfalt der Natur“. Über den Regenwald. Über die Bedeutung der Bananenmonokultur. Das haben die 17 BremerInnen sich vor Ort alles angeschaut. Dafür sind sie in den letzten Winkel des Urwalds vorgedrungen – und unversehrt geblieben. „Nur war ich nach sechs Stunden so fertig, daß ich kein Glas Wasser mehr halten konnte“, sagt Katrin – und vermeldet dann doch einen klitzekleinen Schwund: „Einer von uns ist dageblieben, weil er später vielleicht was mit Umweltschutz machen will und noch genauer nachgucken wollte.“
Das Thema der Reise war der Umwelt- und Naturschutz; dafür hatte die Gruppe ein Jahr lang Spanisch gelernt, Feten veranstaltet und auf Flohmärkten gefroren, bis die Einnahmen für die Reise stimmten – nachdem glücklicherweise auch offizielle Quellen geflossen waren. „Daß wir als Multi-Kulti-Truppe einen Bonus hätten, stimmt aber nicht“, wehrt sich Betreuerin Leman Ali Khan gegen Stimmen von Neidern. „Wir haben richtig dafür geschuftet, daß die Reise gelingt.“ Zum Schuften gehörte es, „tausend“ costa-ricanische Umwelt-Projekte anzuschreiben, Kontakte zu sehenswerten Einrichtungen aufzubauen – und am Ende dennoch kaltblütig auf's Geratewohl loszureisen. „Die Bedingungen in Lateinamerika sind eben nicht unsere“, sagt Betreuer Uli Barde. Irgendwie habe die Kommunikation nicht geklappt. „Trotzdem wurden wir mit offenen Armen empfangen.“
Offene Arme: in der Berufsfachschule in der Hauptstadt San José, wo die BremerInnen den aus der Not geborenen Einfallsreichtum dortiger Schulbehörden kennenlernten. „In der Schule führen die angehenden KFZ-Mechaniker sowas wie einen TÜV-Test durch. Die Gebühr bleibt bei der Schule“. Oder angehende Tischler richten den benachbarten Kindergarten ein – der Saldo fließt in die Schulkasse. „Ehrlich, aus der Perspektive findet man deutsche Schulen plötzlich super“, sagt Yilmaz. Weil der Mangel an Lehrmaterial schon vom letzten Besuch bekannt war, hatten die Jugendlichen jeweils fünf Kilo Schulbücher in den Rucksack gepackt. „Die haben wir extra aus Spanien kommen lassen.“
Offene Arme gab es auch auf dem Land: Für ein Umweltprojekt fischten die Jugendlichen Plastikabfälle, die rücksichtslose Plantagenbesitzer in die Flüsse entsorgten, am Ufer ab. Bei einem anderen Projekt lernten sie alles über Bananenplantagen – über diese gigantische Monokultur, die nicht nur die Natur kaputtmacht, sondern auch Menschenleben. „Wir haben mit Plantagenarbeitern gesprochen, die den ganzen Tag schuften und so gut wie nix verdienen“, ist die Gruppe empört. Schlimmer noch: „In manchen Dörfern bekommen die Paare kaum noch Kinder, weil die eingesetzte Chemie offenbar unfruchtbar macht.“
Als MissionarInnen sind die Jugendlichen trotzdem nicht zurückgekehrt: „Ich laß' die anderen auch weiter Dole Bananen essen“, sagt Hassan – aber das mit der Mülltrennung, das leuchte ihm nun doch mehr ein. „Die Schweiz Mittelamerikas“ zeigte sich beim zweiten Besuch eben auch von ihren Schattenseiten. „Vielleicht, weil vieles jetzt vertrauter war. Da guckt man genauer hin“, sagen die Jugendlichen. Damit auch andere künftig genauer hinschauen, unterstützen die BremerInnen nun ein Projekt im Urwald: „Da kostet ein Quadratmeter 30 Pfennige“, sagen sie. Je mehr gekauft wird, desto mehr könne vor der Bedrohung durch Kettensägen gerettet werden. Mehr noch: Ein Naturschutzprojekt organisiert Führungen auf den gekauften Quadratmetern, damit BesucherInnen den Urwald besser verstehen lernen. Dazu soll – sprichwörtlich – auch eine Informationsbroschüre dienen, die die Lagerhaus-Jugendlichen jetzt ins Deutsche übertragen und drucken lassen. „Die spanischen Informationen kann nicht jeder verstehen“, sagen sie. ede
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