Urteil: Und es dreht sich doch
Berlin bekommt sein erstes Windrad. Das Verwaltungsgericht hat eine Klage des Naturschutzbundes abgewiesen. Der überlegt, in Berufung zu gehen. Das Kraftwerk soll schon im Mai in Betrieb gehen.
Immer wieder schauen sie in den trüben Himmel über dem Autobahndreieck. Der Richter, die Schöffen, die Naturschützer, die Windradbauer. Sie stehen am Freitagmorgen auf der Brache am Arkenberger Damm im Norden Pankows in der Kälte und diskutieren, ob hier ein Windkraftrad gebaut werden kann. Sobald ein Vogel auftaucht, drehen sie die Köpfe. Wegen des Rotmilans sind sie hier. Den seltenen Greifvogel könnten die Rotorblätter gefährden. Doch es ziehen nur ein paar Graugänse über das öde Gewerbegebiet.
Nach der Ortsbesichtigung entscheidet das Verwaltungsgericht am Nachmittag: Berlin soll sein erstes Windrad bekommen. Die Kammer weist eine Klage des Naturschutzbundes (Nabu) ab. Den Bauherren der Firma "Neue Energie Berlin" steht nun nichts mehr im Weg. Das Betonfundament ist bereits gegossen. "Nächste Woche kommt der Kran. Im Mai wird die Anlage den Betrieb aufnehmen", kündigt Geschäftsführer Frank Vach an. Rund 1.000 Haushalte soll das Rad mit Strom versorgen. Staatssekretär Benjamin Hoff von der Umweltverwaltung begrüßt die Entscheidung des Gerichts. "Wir müssen den Anteil an erneuerbarer Energie erhöhen. Hier liegt die Zukunft."
Der Nabu bezeichnet das Urteil als "sehr ärgerlich". "Damit ist der Rotmilan in Berlin vom Aussterben bedroht", sagt Rainer Altenkamp, Greifvogelexperte und zweiter Vorsitzender des Verbands. Seine Bedenken: Das letzte in Berlin lebende Rotmilanpaar hat drei Kilometer weiter seinen Horst. Altenkamp befürchtet, dass die Vögel zerschreddert werden könnten. An den Spitzen haben die Rotorblätter eine Geschwindigkeit von bis zu 250 Stundenkilometern. Der Standort liege zwischen mehreren Feuchtbiotopen. Auch angrenzende Autobahnen mit ihrem Aas könnten die Tiere anlocken.
Das Gericht sieht den Abstand zwischen Horst und Windrad jedoch als ausreichend an. Auch vor dem Hintergrund der Regelungen anderer Länder: In Brandenburg, wo rund 1.300 Rotmilanpaare leben sollen, muss eine Entfernung von nur einem Kilometer gewahrt werden. In Sichtweite des Arkenberger Damms, kurz hinter der Stadtgrenze, stehen denn auch schon zwei weiße Riesen, die das letzte Berliner Rotmilanpaar bereits jetzt gefährden. Dagegen hat der Nabu offenbar nichts unternommen.
Das erste Windrad der Hauptstadt soll knapp 180 Meter hoch werden. Auch ein Argument für das Gericht: Die Flughöhe der Greifvögel liege typischerweise unter dem erst in 98 Meter beginnenen Rotorbereich.
Der Streit über das Windrad hat die Umweltschützer in zwei Lager geteilt. Während sich der Nabu dagegen stark macht, befürwortet der BUND das Vorhaben ausdrücklich. Die einen kämpfen für den Schutz einer bedrohten Art, die anderen für die Nutzung der klimafreundlichen Windenergie.
Geklagt hatte der Nabu aus verfahrensrechtlichen Gründen: Der Verband sei bei der Genehmigung des Windrads nicht genügend einbezogen worden. Auch diese Ansicht teilt das Gericht nicht. Die Genehmigung sei rechtmäßig und berücksichtige ausreichend naturschutzrechtliche Belange, gibt ein Gerichtssprecher die Urteilsbegründung wieder. Altenkamp weiß noch nicht, ob er sich damit zufriedengeben will. "Ich schließe nicht aus, dass wir in Berufung gehen."
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