Urteil zum Concorde-Crash bei Paris: Schuld ist ein Mechaniker
Zehn Jahre nach dem Concorde-Absturz hat ein Gericht einen Schuldigen ausgemacht: einen Mechaniker der Continental Airlines. Und das Unternehmen muss zahlen.
PARIS taz | Zehn Jahre nach dem Absturz eines zivilen Überschallflugzeugs Concorde der Air France in Gonesse bei Paris haben die Richter über die strafrechtliche Verantwortung entschieden. Schuldig ist ihnen zufolge die amerikanische Fluggesellschaft Continental Airlines, weil eine ihrer Maschinen auf der Startbahn von Paris-Roissy kurz zuvor eine "Lamelle" aus Metall verloren hatte. Der Mechaniker, der das Titanstück unsachgemäß angebracht hat, wurde zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Die "Lammelle" ließ im Jahr 2000 einen Reifen des Fahrwerks der anschließend startenden Concorde platzen, und die wegkatapultierten Gummistücke beschädigten das Treibstoffreservoir des Jets, der daraufhin in Brand geriet und nur wenige Minuten nach dem Start danach abstürzte.
Mit dieser verhängnisvollen Kettenreaktion war schon sehr früh von der Air France und den offiziellen Unfallexperten der mutmaßliche Hergang der Katastrophe vom 25. Juli 2000 geschildert worden. Beim Absturz auf ein Hotel verloren insgesamt 113 Menschen das Leben, die Mehrheit von ihnen waren Passagiere aus Deutschland.
Beim Prozess im letzten Frühling hatten die Vertreter von Continental, ebenfalls mit Gutachten und Zeugenaussagen, mit einer wesentlich anderen Version aufgewartet, welche die amerikanische Gesellschaft von jeder Verantwortung freisprechen sollte.
Demzufolge habe die Concorde bereits vorher, und zwar 700 Meter vor der Stelle, wo sie über das fragliche Metallteil aus Titan rollte, Feuer gefangen. Diese ebenfalls plausible klingende Erklärung wurde dem Gericht im Verlauf der viermonatigen Verhandlungen sogar in einer sehr anschaulichen 3D-Animation vorgeführt. Überzeugt hat dies die drei Richter des Strafgerichts von Pontoise im Norden von Paris aber nicht.
Nach einer sechsmonatigen Beratung kommen sie in ihrem Urteil, das sie an Montag in einer mehr als zweistündigen Begründung sehr detailliert ausgeführt haben, zum Schluss, dass es im strafrechtlichen Sinne nur einen einzigen Verantwortlichen gibt: den Mechaniker der amerikanischen Gesellschaft, der in Houston das Titanstück unsachgemäß an der Continental-Maschine angebracht hatte.
Er wurde darum zu fünfzehn Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Da er nicht zum Prozess erschienen ist, kennen die Angehörigen der Opfer sein Gesicht nicht. Sein mitverantwortlicher Arbeitgeber, Continental, muss zudem der Air France eine Entschädigung in der Höhe einer Million Euro bezahlen und weitgehend für den von den Versicherungen an die Angehörigen der Opfer bereits entrichteten Schadenersatz aufkommen.
Das europäische Luftfahrtunternehmen EADS, als Nachfolger der ehemaligen Concorde-Herstellers, muss allerdings ebenfalls zu 30 Prozent zu den zivilrechtlichen Forderungen beitragen. Die französischen Konstrukteure und der damalige Verantwortliche der Luftfahrtbehörde dagegen haben nach Ansicht der Richter bloß geringfügige Nachläßigkeiten begangen, tragen deswegen aber keine strafrechtliche Schuld.
Der Anwalt der Continental Airlines, Olivier Metzner, sieht in diesem Richterspruch ein chauvinistisches Urteil, weil es aus Patriotismus nationale (französische) Interessen in Schutz nehme. Sein Mandant werde Berufung gegen dieses Urteil einlegen. Damit steht eine weitere Runde im Streit der Experten zu diesem letzten Kapitel in der Geschichte der Concorde bevor, deren Einsatz im Passagiertransport mit dem Crash in Gonesse endete.
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