Urteil zum Becherwurfskandal: Niemand sitzt am Millerntor
Nach einem Urteilsspruch des Sportgerichts in der Causa Becherwurf reizen die Kiezkicker die letzte Möglichkeit aus, um ein Heimspiel vor leeren Rängen zu verhindern
HAMBURG taz | Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat den FC St. Pauli dazu verurteilt, das nächste Bundesliga-Heimspiel gegen Werder Bremen am Ostersamstag ohne Zuschauer zu bestreiten.
Die Richter folgten am Freitag dem Antrag des Kontrollausschusses, der die Strafe eines "Geisterspiels" verhängt hatte, nachdem am 1. April ein Schiedsrichter von einem St. Pauli-Fan mit einem vollen Bierbecher beworfen worden war. Der FC St. Pauli hat gegen das Urteil Einspruch eingelegt und eine mündliche Verhandlung beantragt. Anfang der Woche hatte Manager Helmut Schulte noch angekündigt, der Verein werde jede Strafe akzeptieren. Mit einem Anhörungstermin ist erst kommende Woche zu rechnen.
Wenn das Sportgericht nach der mündlichen Verhandlung bei seinem Urteil bleibt, muss sich der FC St. Pauli fügen. Würde es zu einem Geisterspiel kommen, dann würde das für den Verein eine Einbuße von rund 750.000 Euro bedeuten.
Zudem würde der Mannschaft die dringend benötigte Unterstützung der Fans fehlen: Der FC St. Pauli steht derzeit in der Fußball-Bundesliga auf einem Abstiegsplatz. Nur zwei der verbleibenden sechs Spiele sind Heimspiele. Ein Geisterspiel würde ein schmerzhaftes Manko im Abstiegskampf bedeuten.
St. Pauli-Präsident Stefan Orth verurteilte den Bierbecherwurf erneut, sagte aber auch, dass der "Verein nicht die direkte Schuld am Fehlverhalten eines Einzelnen" trage. Ferner gibt der Verein zu bedenken, dass durch ein Geisterspiel alle Fans bestraft würden, die bereits Karten hätten - sowohl die eigenen als auch die von Werder Bremen.
Der Bremer Fan-Club "Hot Spots" fordert in einem Offenen Brief vom DFB, Gleichbehandlung herzustellen. Diese sei im Hinblick auf ähnliche Vorfälle in der Vergangenheit nicht gegeben. Als Beispiel nannten die Fans den Trinkflaschenwurf von HSV-Profi Paolo Guerrero auf einen Zuschauer im April 2010. Die FC St. Pauli-Fans überlegen derweil in Internetforen, wie sie mit einem Geisterspiel umgehen würden. Die Bandbreite reicht vom massenhaften Besteigen des Bunkers neben dem Millerntorstadion bis zum Public Viewing auf der Reeperbahn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich