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Urteil zu belgischen AtomkraftwerkenSeit fünf Jahren illegal

Der Betrieb der maroden Atomkraftwerke Doel 1 und 2 ist seit 2015 gesetzwidrig. Daraus folgt... nichts. Denn Belgien hat immer noch keine Regierung.

Die Windmühle kann bleiben, aber das AKW Doel muss weg – vielleicht, irgendwann... Foto: imago-images/Philippe Clement

Aachen taz | Der belgische Verfassungsgericht hat das Gesetz für längere Laufzeiten der Atomreaktoren Doel 1 und Doel 2 bei Antwerpen gekippt. Dem obersten Gerichtshof zufolge wären 2015 eine Umweltfolgenabschätzung und ein Widerspruchsverfahren zwingend nötig gewesen. Zwei Umweltverbände hatten gegen die Laufzeitverlängerung geklagt, paritätisch gemeinsam: der flämische Bond Beter Leefmilieu (BBL) und Inter-Environnement aus der Wallonie.

Die Richter setzten eine Frist bis Ende 2022, die komplexen Auflagen nachzuholen und ein völlig neues Gesetz zu verabschieden. Andernfalls muss Silvester 2022 endgültig abgeschaltet werden und nicht erst 2025, wie derzeit geplant.

Die zwei „Steinzeit“-Reaktoren des Kernkraftwerks sind seit 1975 in Betrieb. Sie sollten schon 2015 geschlossen werden. Damals jedoch verabschiedet das belgische Parlament eilig ein Gesetz zur Laufzeitverlängerung um zehn Jahre. Grund: Angebliche Probleme bei der Stromversorgung. Belgien hat einen Umstieg auf Erneuerbare Energien lange verschlafen, erst in den vergangenen Jahren tauchten kleinere Windparks in der Landschaft auf und der Anteil am Energie-Mix steigt langsam (2018: 12 Prozent, Deutschland: 37 Prozent).

Während belgische Grüne und Umweltverbände („ein historisches Urteil“) am Donnerstag die Chance auf die Energiewende feierten, interpretierte die (damals wie heute) zuständige liberale Ministerin Marie-Christine Marghem das vernichtende Urteil auf ihre Weise: Es sei doch eine Bestätigung für ihre Politik, dass die Reaktoren weiterlaufen dürfen und nicht sofort den Betrieb einstellen müssen. Marghem, unter deren Verantwortung das Gesetz 2015 verabschiedet wurde, ergänzte beleidigt: „Dank der Umweltorganisationen müssen wir nun systematisch jedes Mal Millionen von Euro mehr ausgeben, wenn wir den Betrieb verlängern wollen.“ Und nicht nur das: Auch die benachbarten niederländischen Gemeinden müssen, so das Gericht, in den erweiterten Prozess einbezogen werden.

„Ohne unmittelbare Konsequenzen“

„Das ist eine gute Klarstellung des belgischen Verfassungsgerichtes, leider ohne unmittelbare Konsequenzen für den Betrieb der Reaktoren“, teilte Oliver Krischer, Vize-Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, der taz mit. „Das Urteil bietet aber die Chance, dass Belgien seinen unverantwortlichen Atomkurs ändert und die Kraftwerke still gelegt werden.“

Die maroden belgischen Kraftwerke sorgen immer wieder für Schlagzeilen: Mangelnde Wartung, Brände auf dem Gelände, Risse im Beton, zwischenzeitliche Abschaltungen, verzögertes Wiederhochfahren. Zuletzt war bekannt geworden, dass der AKW-Betreiber Engie Electrabel keine Haftpflichtversicherung findet, die den erweiterten gesetzlichen Schutz ab 2021 abdecken will. Bis dahin spalten die Schrottreaktoren Doel und auch Tihange bei Lüttich weiter (Atome und Gesellschaft). Sie sind längst abgeschrieben, da ist der Weiterbetrieb als Quasi-Lizenz zum Gelddrucken besonders lukrativ.

Das Urteil vom Donnerstag war insofern keine Überraschung, als schon der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juli 2019 in einem Gutachten erklärt hatte, das belgische Verlängerungsgesetz verstoße gegen EU-Recht. Das belgische Verfassungsgericht hatte den EuGH um Stellungnahme gebeten.

Jetzt muss eilig ein neues Gesetz her. Für die Umweltorganisation BBL sagte Mathias Bienstman: „Das Verfassungsgericht hat die schnellstmögliche Erstellung eines Umweltberichts gefordert, weil die Kernkraftwerke sonst illegal betrieben werden.“ Aber das wird dauern. Denn der belgische Staat ist zur Zeit nur eingeschränkt handlungsfähig. Das Land hat seit Ende 2018 nur eine geschäftsführende Minderheitsregierung. Alle Versuche, eine neue Koalition zu bilden und damit überhaupt die Möglichkeit zur Gesetzgebung zu schaffen, sind seitdem gescheitert. Bis zum eigenen Rekord (541 Tage) sind es nur noch gut drei Monate.

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3 Kommentare

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  • Ich weiß von einem Steinzeitmeiler, dessen Laufzeit um zehn Jahre verlängert wurde und der vor bald neun Jahren in die Luft geflogen ist. Da hat es überall kräftig Bummbumm gemacht.



    Wer ungeschoren Geld "drucken" will, muss das Volk so spalten, dass keiner mehr objektiv sagen kann was falsch und was richtig ist.



    Wer absolute Kontrolle will, muss das Volk so spalten, dass keiner mehr objektiv sagen kann was falsch und was richtig ist.



    Schließlich finden sich immer welche, die zustimmend aufspringen, sobald die Unterstellung einer Lüge in den Raum geworfen wird, egal warum. Eine schwache bzw. nonexistente Regierung spielt da gut in die Hände. Das nächste Bummbumm ist nicht eine Frage des Ob, sondern eine Frage des Wann.

  • Hans Josef Fell von Energy Watch Group sagt,dass man technisch nun soweit sei,dass man innerhalb von 10 Jahren in Deutschland nun komplett auf erneuerbare Energie umstellen könne.Es wird nur der politische Wille noch benötigt,um das anzugehen.

    energywatchgroup.o...gie-in-ganz-europa

  • Sollte irgendjemand neuerdings hier in D daherkommen und >AKWs - ja Bitte< schreien, dann werde ich ihm diese Belgische Kumpanei um den Hals hängen - mal sehen, was er dagegen vorzubringen hat. Dass diese ganze AtomGeldschneider in D besser sind?