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Urteil zu Lissabon-VertragBundestag in EU-Fragen machtlos

Mit seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag hat Karlsruhe hat dem Bundestag zwar mehr Rechte in EU-Fragen gegeben. In der Praxis wird das Parlament aber kaum gestärkt.

Das Urteil der Karlsruher Richter hat kaum Auswirkungen auf alltägliche EU-Politik. Bild: ap

BERLIN tazNach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag rückt der Bundestag in den Mittelpunkt der europapolitischen Diskussionen. Dabei hat das deutsche Parlament weniger neue Rechte bekommen, als weithin angenommen wird. Karlsruhe hat auch nicht erklärt, wie der Bundestag die alltägliche EU-Politik künftig wirksamer legitimieren kann.

Am Dienstag entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der EU-Reformvertrag zwar mit dem Grundgesetz vereinbar ist, aber ein Begleitgesetz über die Rechte des Bundestags nachgebessert werden muss. Das Gesetz soll noch in dieser Wahlperiode beschlossen werden. Die europapolitische Verantwortung des Bundestags wird also ein wichtiges parlamentarisches Sommerthema werden.

Die von Karlsruhe verlangte Nachbesserung betrifft aber nur zwei relativ spezielle Konstellationen. Der Bundestag muss per Gesetz zustimmen, wenn neue Kompetenzen- zum Beispiel im Strafrecht - ohne Vertragsänderung auf die EU übertragen werden. Außerdem muss das deutsche Parlament per Gesetz bestätigen, wenn der EU-Ministerrat in bestimmten Feldern, etwa im Familienrecht, von der Einstimmigkeit auf Mehrheitsabstimmungen übergehen will. Bisher hatte der Bundestag zwar teilweise ein Vetorecht in diesen Konstellationen, Schweigen hätte dann aber als Zustimmung gegolten. Jetzt muss er aktiv mitwirken.

Was viele Beobachter nicht verstanden haben: Es geht dabei nur um Kompetenzübertragungen und Abstimmungsregeln. Es geht nicht um die alltägliche EU-Politik. Wenn die Regierungen im EU-Ministerrat und das EU-Parlament gemeinsam neue Richtlinien und Verordnungen beschließen, muss der Bundestag auch künftig nicht nachträglich zustimmen.

Für die Legitimation der alltäglichen EU-Politik hat das Bundesverfassungsgericht keine neuen Vorgaben gemacht. Hier gilt weiter das bisherige Verfahren: Der Bundestag ist über alle EU-Vorhaben "umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt" zu unterrichten. Dies sieht der 1992 ins Grundgesetz eingefügte Artikel 23 vor. Der Bundestag kann dann der Regierung Vorgaben für die Verhandlungen im EU-Ministerrat machen. Diese Mandate sind aber nicht rechtlich verbindlich, damit die Regierung manövrierfähig bleibt.

Schon im Maastricht-Verfahren hatte Karlsruhe erklärt, dass die Legitimation der EU "zuvörderst" über die nationalen Parlamente erfolge. Bisher ist es aber kaum gelungen, über diesen Mechanismus Transparenz und damit Legitimation für die EU-Entscheidungsprozesse zu organisieren. Zum einen sind die Mehrheitsfraktionen gar nicht daran interessiert, ihrer Regierung durch enge Vorgaben die Arbeit zu erschweren. "Wir haben ein großes Interesse, dass die Regierung handlungsfähig bleibt", sagte etwa Gunter Krichbaum (CDU), der Vorsitzende des EU-Ausschusses.

Außerdem interessieren sich viele Fachpolitiker auch viel mehr für die nationale Politik, wo sie direkt mitentscheiden können, als für EU-Fragen, bei denen nur ein indirekter Einfluss über die Regierung möglich ist.

Auf dieses Dilemma hat auch das Bundesverfassungsgericht keine Antwort gegeben. Oppositionspolitiker wie Rainder Steenblock (Grüne) forderten jetzt die Abgeordneten auf, "mehr Rückgrat" zu zeigen.

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6 Kommentare

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  • P
    Potzblitz

    Zitiert aus dem Urteil: "Das Europäische Parlament ist

    weder in seiner Zusammensetzung noch im europäischen Kompetenzgefüge

    dafür hinreichend gerüstet, repräsentative und zurechenbare

    Mehrheitsentscheidungen als einheitliche politische Leitentscheidungen

    zu treffen. Es ist gemessen an staatlichen Demokratieanforderungen nicht

    gleichheitsgerecht gewählt und innerhalb des supranationalen

    Interessenausgleichs zwischen den Staaten nicht zu maßgeblichen

    politischen Leitentscheidungen berufen. Es kann deshalb auch nicht eine

    parlamentarische Regierung tragen und sich im

    Regierungs-Oppositions-Schema parteipolitisch so organisieren, dass eine

    Richtungsentscheidung europäischer Wähler politisch bestimmend zur

    Wirkung gelangen könnte. Angesichts dieses strukturellen, im

    Staatenverbund nicht auflösbaren Demokratiedefizits dürfen weitere

    Integrationsschritte über den bisherigen Stand hinaus weder die

    politische Gestaltungsfähigkeit der Staaten noch das Prinzip der

    begrenzten Einzelermächtigung aushöhlen".

    Soweit das Bundesverfassungsgericht. Und das ist das tolle Parlament, weswegen wir uns von 'unseren' Politikern verunglimpfen lassen müssen, wenn wir nicht wählen gehen? Demokratiedefizite!

    Sonst noch Fragen zu dieser EU?

  • R
    Ralf

    Hier kann der EU Vertrag kostenlos heruntergeladen werden:

     

    http://bookshop.eu.int/eubookshop/download.action?fileName=FY6304133DEC_002.pdf&eubphfUid=121338&catalogNbr=FY-63-04-133-DE-C

     

    Besonders interessant ist Seite 384

  • F
    FrederikeMK

    "Bundestag in EU-Fragen machtlos". Nicht ganz, Herr Rath.

    Der Bundestag darf sich seine Rechte schon nehmen. Ob's die Abnicker tun, ist eine andere Seite.

    Herr Rath, Sie könnten als Vorbild für 'unsere' Abgeordneten 'mal auf Dänemark verweisen. Dort darf kein dänischer EU-Abgeordneter im Namen Dänemarks abstimmen, ohne sich nicht vorher mit den Abgeordneten in Dänemark abgestimmt zu haben. Und derjenige in Brüssel muß sich an die Absprachen mit dem dänischen Parlament halten.

    Es wird ja immer so getan, als wäre die 'EU', so wie sie ausgestaltet wird, vom Himmel gefallen und nicht durch Interessengruppen gestaltet.

    Und alle, vor allem unsere Politiker in und außerhalb der Regierung, können da auch gar nix machen.

    Aber dieses Spielchen mit der Märchenstunde wurde mit uns ja auch im Zusammenhang mit der sogen. 'Globalisierung' und der aktuellen 'Wirtschafts- und Finanzkrise' gespielt. Volksverdummung nennt sich das.

    Übrigens, Herr Rath, vor dem nächsten Artikel über den Richterspruch sollten sie das Urteil vielleicht wirklich einmal lesen. Wie ich die Inhalte Ihrer Artikelserie zu diesem Thema interpretiere, haben Sie dies noch nicht getan.

  • P
    Potzblitz

    Zitiert aus dem Urteil: "Das Europäische Parlament ist

    weder in seiner Zusammensetzung noch im europäischen Kompetenzgefüge

    dafür hinreichend gerüstet, repräsentative und zurechenbare

    Mehrheitsentscheidungen als einheitliche politische Leitentscheidungen

    zu treffen. Es ist gemessen an staatlichen Demokratieanforderungen nicht

    gleichheitsgerecht gewählt und innerhalb des supranationalen

    Interessenausgleichs zwischen den Staaten nicht zu maßgeblichen

    politischen Leitentscheidungen berufen. Es kann deshalb auch nicht eine

    parlamentarische Regierung tragen und sich im

    Regierungs-Oppositions-Schema parteipolitisch so organisieren, dass eine

    Richtungsentscheidung europäischer Wähler politisch bestimmend zur

    Wirkung gelangen könnte. Angesichts dieses strukturellen, im

    Staatenverbund nicht auflösbaren Demokratiedefizits dürfen weitere

    Integrationsschritte über den bisherigen Stand hinaus weder die

    politische Gestaltungsfähigkeit der Staaten noch das Prinzip der

    begrenzten Einzelermächtigung aushöhlen".

    Soweit das Bundesverfassungsgericht. Und das ist das tolle Parlament, weswegen wir uns von 'unseren' Politikern verunglimpfen lassen müssen, wenn wir nicht wählen gehen? Demokratiedefizite!

    Sonst noch Fragen zu dieser EU?

  • R
    Ralf

    Hier kann der EU Vertrag kostenlos heruntergeladen werden:

     

    http://bookshop.eu.int/eubookshop/download.action?fileName=FY6304133DEC_002.pdf&eubphfUid=121338&catalogNbr=FY-63-04-133-DE-C

     

    Besonders interessant ist Seite 384

  • F
    FrederikeMK

    "Bundestag in EU-Fragen machtlos". Nicht ganz, Herr Rath.

    Der Bundestag darf sich seine Rechte schon nehmen. Ob's die Abnicker tun, ist eine andere Seite.

    Herr Rath, Sie könnten als Vorbild für 'unsere' Abgeordneten 'mal auf Dänemark verweisen. Dort darf kein dänischer EU-Abgeordneter im Namen Dänemarks abstimmen, ohne sich nicht vorher mit den Abgeordneten in Dänemark abgestimmt zu haben. Und derjenige in Brüssel muß sich an die Absprachen mit dem dänischen Parlament halten.

    Es wird ja immer so getan, als wäre die 'EU', so wie sie ausgestaltet wird, vom Himmel gefallen und nicht durch Interessengruppen gestaltet.

    Und alle, vor allem unsere Politiker in und außerhalb der Regierung, können da auch gar nix machen.

    Aber dieses Spielchen mit der Märchenstunde wurde mit uns ja auch im Zusammenhang mit der sogen. 'Globalisierung' und der aktuellen 'Wirtschafts- und Finanzkrise' gespielt. Volksverdummung nennt sich das.

    Übrigens, Herr Rath, vor dem nächsten Artikel über den Richterspruch sollten sie das Urteil vielleicht wirklich einmal lesen. Wie ich die Inhalte Ihrer Artikelserie zu diesem Thema interpretiere, haben Sie dies noch nicht getan.