Urteil im Prozess gegen Moderator: Freispruch für Kachelmann
Die Richter sahen es als nicht erwiesen an, dass Jörg Kachelmann seine Exfreundin mit einem Messer bedroht und vergewaltigt hat. Kachelmann will nun wieder als Moderator arbeiten.
MANNHEIM afp/dapd/dpa/taz | Das Landgericht Mannheim hat den Moderator und Unternehmer Jörg Kachelmann am Dienstag vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Nach dem Urteil ging ein Aufschrei durch das anwesende Publikum.
In dem Urteil hieß es, dass Kachelmann für seine Zeit in Untersuchungshaft entschädigt werden wird. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Kachelmann war im März 2010 am Frankfurter Flughafen festgenommen worden und saß 132 Tage lang in Untersuchungshaft.
Der vorsitzende Richter Michael Seidling sagte, das Urteil beruhe nicht darauf, dass die Kammer von der Unschuld Kachelmanns oder einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt sei. Das Landgericht Mannheim habe aber begründete Zweifel an der Schuld des Angeklagten, der deshalb "in dubio pro reo" ("im Zweifel für den Angeklagten") freizusprechen sei.
Ein Urteil könne nicht aufgrund einer bloßen Verdachtslage gesprochen werden, erklärte der Richter weiter. Die Verdachtsmomente hätten sich zwar im Laufe der Verhandlung "abgeschwächt, aber nicht verflüchtigt".
Die Anklage hatte dem 52-jährigen Schweizer besonders schwere Vergewaltigung seiner Ex-Freundin vorgeworfen und eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten gefordert. Die Verteidigung hingegen hatte Freispruch beantragt.
Der Indizienprozess vor der 5. Großen Strafkammer, in dem Aussage gegen Aussage stand, hatte rund neun Monate gedauert. Die Ex-Freundin warf Jörg Kachelmann vor, sie nach einem Beziehungsstreit in ihrer Wohnung mit einem Messer bedroht und vergewaltigt zu haben.
Kachelmann hatte den Vergewaltigungsvorwurf stets bestritten. Seine Verteidiger wiesen unter anderem auf Widersprüche in den Aussagen der Nebenklägerin hin, die zum Teil in ihren ersten Vernehmungen falsche Angaben gemacht hatte und diese später korrigierte.
Auch mehrere Gutachter konnten keine klare Einschätzung zum Wahrheitsgehalt der Vorwürfe abgeben, die die 38-jährige Radiomoderatorin erhoben hatte.
Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen bis zum Schluss eine Verurteilung Kachelmanns gefordert. Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge hatte in seinem Plädoyer eingeräumt, dass man alle Indizien auch anders werten könne. "Aber das ist das Wesen eines Indizienprozesses, dass es auf die Gesamtschau ankommt."
Kachelmann-Anwalt Johann Schwenn hat das Landgericht Mannheim trotz des Freispruchs heftig kritisiert. Die Kammer hätte den Angeklagten "zu gerne verurteilt" und in ihrer Urteilsbegründung nochmal "richtig nachgetreten", um "den Angeklagten maximal zu beschädigen". Schwenn sprach von einem "befangenen Gericht" und einer "Erbärmlichkeit im Gerichtssaal".
Pflichtverteidigerin Andrea Combé betonte, rechtlich gesehen gebe es keinen "Freispruch zweiter Klasse". Es gelte lediglich der Grundsatz "In dubio pro reo".
Die Staatsanwaltschaft hatte voran angekündigt, sie wolle bei einem Freispruch höchstwahrscheinlich Revision einlegen.
Jörg Kachelmann will ab sofort wieder für die Meteomedia Gruppe arbeiten. Das teilte die Firma am Dienstag unmittelbar nach dem Urteil auf ihrer Internet-Seite mit. Dazu gehörten auch seine Kommentare zum Wetter in Medien wie Radio Basel, Radio Primavera und Twitter. Zusätzliche öffentliche Auftritte seien in Zukunft nicht ausgeschlossen. "Meteomedia freut sich über den längst überfälligen Freispruch ihres Firmengründers Jörg Kachelmann", hieß es.
Der Prozess war bundesweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt worden. Zeitweise saß Alice Schwarzer als Berichterstatterin für die Bild-Zeitung im Gerichtsaal. Schon Stunden vor dem Urteilsspruch hatten sich über hundert Menschen vor dem Gericht versammelt, um eingelassen zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut