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Urteil im Käsemann-MordprozessSpäte Gerechtigkeit

Vor mehr als dreißig Jahren wurde Elisabeth Käsemann in Argentinien ermordet. Nun sind mehrere Mitglieder der damaligen Diktatur verurteilt worden.

Lange Wartezeit: Diana Austin hält ein Foto ihrer ermordeten Freundin und Mitgefangenen, Elisabeth Käsemann. Bild: ap

SAO PAULO/BUENOS AIRES dpa | Fast drei Jahrzehnte nach dem Ende der Diktatur sind in Argentinien zwei Ex-Militärs wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Für weitere fünf Angeklagte verhängte ein Gericht in Buenos Aires am Donnerstagabend Gefängnisstrafen zwischen 18 Jahren und 22 Jahren und sechs Monaten.

Sie wurden für Morde, Folter und Misshandlungen Mitte der 1970er Jahre in dem berüchtigten Folterzentrum "El Vesubio" in Buenos Aires verantwortlich gemacht. Dort war auch die 1977 ermordete deutsche Studentin Elisabeth Käsemann interniert.

Auch der Kommandant des Lagers, Pedro Durán Sáenz, gehörte zu den Angeklagten. Allerdings starb er Anfang Juni im Alter 76 Jahren an Herzversagen. Der Prozess war im Februar 2010 eröffnet worden. Die beiden verurteilten Ex-Militärs sind über 80 Jahre alt. Ihnen wurden mehrere Morde zur Last gelegt.

Elisabeth Käsemann war eines der deutschen Opfer der argentinischen Diktatur (1976-83). Die Tochter des bekannten Theologie-Professors Ernst Käsemann (1906-1998) war von Junta-Angehörigen verschleppt und am 24. Mai 1977 ermordet worden. Die Bundesregierung trat in dem Prozess als Nebenkläger auf.

In Argentinien hatten die Militärs Anschläge linker Gruppen sowie die politische Schwäche der damaligen peronistischen Präsidentin Isabel Perón 1976 für einen Putsch genutzt. Anschließend eröffnete die Junta eine Hexenjagd auf sogenannte "subversive" Regimekritiker. Menschenrechtsrechtsgruppen schätzen die Zahl der Ermordeten auf 30.000. Die meisten Opfer sind bis heute spurlos verschwunden. Die Militärs verbrannten ihre Opfer damals, verscharrten sie anonym oder stürzten sie betäubt aus Flugzeugen heraus ins Meer.

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1 Kommentar

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  • PA
    Peter Alexa

    Es gibt so etwas wie eine Pflicht zur Wahrhaftigkeit gegenüber dieser Geschichte, schon aus Respekt vor den 30 000 Opfern. Wenn das Auswärtige Amt heute als Nebenkläger gegen die Mitglieder der ehemaligen argentinischen Militärjunta auftritt und verniedlichend vom "Versagen der deutschen Diplomatie" spricht, ist das der nachholende Versuch, die Komplizenschaft der damaligen Bundesregierung mit der argentinischen Militärjunta, speziell die des Auswärtigen Amtes, zu relativieren.

    Die Bundesregierung unter Helmut Schmidt wurde vorab von dem bevorstehenden Putsch informiert. Der deutsche Botschafter in Argentinien, Hansjörg Kastl, gab dem Juntamitglied Admiral Massera noch einige "gute Tipps" mit auf den Weg.

    "Meine Reaktion damals lautete: Herr Admiral, bitte begehen Sie nicht die Fehler von Pinochet. Fußballstadien, Entführungen und Massakrierenden, Exekutionen ohne eine legale Grundlage sind undenkbar, sondern in diesem Falle brauchen Sie Standgerichte und den Ausnahmezustand. Dann begreift das Ihr Volk und das begreift dann auch das Ausland."

    Im Unterschied zu anderen Ländern, wurde von der Bundesregierung kein Einziger von den deutschen oder deutschstämmigen 72 Verschwundenen gerettet und das, obwohl Deutschland als bedeutendster Handelspartner Argentiniens problemlos den notwendigen Druck hätte ausüben können.

    In dem hervorragenden Buch "Dass du zwei Tage schweigst unter der Folter" hat der LAIKA-Verlag in Zusammenarbeit mit der "Koalition gegen Straflosigkeit" einen detaillierten Bericht dazu vorgelegt, wie das Auswärtige Amt unter Genscher, Hamm-Brücher, Karl Moersch und Klaus von Dohnanyi den Militärs beim Foltern und beim Morden halfen.

    Es steht zu befürchten, dass das Auswärtige Amt mit diesen Tätern und ihren Taten genau so umgehen wird, wie mit seiner erbärmlichen Geschichte während des Nationalsozialismus, wenn überhaupt, wird erst lange nach ihrem Tod darüber gesprochen.

    Das sei nur am Rande erwähnt, während sich das Auswärtige Amt um Persilscheine für seine Vergangenheit bemüht, schickt es gleichzeitig hochrangige Delegationen nach Äquatorialguinea um lukrative Waffengeschäfte abzuschließen.

    Äquatorialguinea ist zwar eine der brutalsten und blutigsten Diktaturen der Welt, ist aber reich an Öl- und Gasvorkommen.

    Die Brutalität der deutschen Außenpolitik wird nur noch durch die dumme Dreistigkeit ihrer Rechtfertigungsversuche übertroffen.

     

    http://www.laika-verlag.de/bibliothek/dass-du-zwei-tage-schweigst-unter-der-folter