Urteil im Iran: Erst die Steinigung, jetzt der Galgen
Eine iranische Frau muss wieder um ihr Leben bangen. Ihre Steinigung wegen Ehebruchs wurde nach Protesten aufgehoben. Jetzt soll sie gehängt werden. Der Grund: Beihilfe zum Mord.
TEHERAN dpa | Die geplante Steinigung einer Ehebrecherin im Iran hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Jetzt könne Sakineh Mohammadi-Aschtiani sogar der Tod durch den Strang drohen, obwohl sie bislang nur zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, teilte der Leiter der Justizbehörde in der Provinz Aserbaidschan im Westiran, Malek Edschdar-Scharifi, laut iranischen Medien am Montag mit. Der Grund: Sie soll ihrem Liebhaber geholfen haben, den Ehemann zu töten.
Die iranische Justiz hatte die 43-Jährige ursprünglich wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt. Nach den Protesten von Politikern und Menschenrechtlern aus aller Welt wurde dieses Urteil aber nicht ausgeführt.
Der ganze Fall ist inzwischen selbst für Rechtsexperten im Iran verwirrend. Sie fragen sich, wieso die wegen Mordes angeklagte Frau von einem Gericht in der Provinzhauptstadt Täbris zu einer zehnjährige Freiheitsstrafe verurteilt wird, aber dann wieder die Rede von Steinigung ist. Gegen die Freiheitsstrafe sei nämlich keine Revision eingelegt worden.
Chef der Justizbehörde wird entscheiden
Die Frau hat bereits mehrmals gestanden, dass sie einen Liebhaber hatte und mit dessen Hilfe ihren Ehemann tötete. Auch der Sohn von Mohammadi-Aschtiani sagte den Medien, dass seine Mutter den Vater ermordet habe, sie aber nicht hingerichtet werden solle. Jetzt müsse der Chef der iranischen Justizbehörde, Ajatollah Sadek Amoli-Laridschani, entscheiden, was nach islamischem Recht das beste Urteil gegen die Frau sei, sagte Edschdar-Scharifi.
Beobachter im Iran gehen davon aus, dass die Justizbehörde wegen der großen internationalen Aufmerksamkeit gegen eine Todesstrafe entscheiden wird. Sowohl die Behörde als auch die Regierung wollen das Problem wegen möglicher heikler politischen Konsequenzen vom Tisch haben, wie mit dem Fall Vertraute berichten. Die iranische Führung wolle keinen neuen Skandal, aber auch nicht nach außen den Eindruck erwecken, jeglichem Druck des Westens nachgegeben zu haben, lautet die Begründung.
Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte 2010 noch dementiert, dass die Frau überhaupt zur Steinigung verurteilt worden sei. Die Justizbehörde widersprach dann dem Präsidenten. Der staatliche Sender Press TV hat sogar den ganzen Fall einschließlich des Mordes an dem Ehemann in einem Dokumentarfilm haargenau rekonstruiert - mit der Frau als Hauptdarstellerin. Das Ziel des Filmes war, den Westen davon zu überzeugen, nicht mit einer Mörderin zu sympathisieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus