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Urteil des BundesverfassungsgerichtsVorsorge gegen Gen-Gefahren

Das Bundesverfassungsgericht hat Verschärfungen des Gentechnikgesetzes gebilligt. Eine Klage von Sachsen-Anhalt erwies sich als Eigentor.

Unterliegt weiterhin Beschränkungen: Gentechnisch veränderte Maispflanze. Bild: dapd

KARLSRUHE taz | Die von Rot-Grün eingeführten Beschränkungen der Gentechnik sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Das entschied am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht. Die Klage des Landes Sachsen-Anhalt, das den Anbau und die Erforschung von Genplfanzen erleichtern wollte, wurde in vollem Umfang abgelehnt. Stattdessen hat sie ein Grundsatzurteil erwirkt, das mutigen Umweltschutz verfassungsrechtlich absichert. Aus Magdeburger Sicht eher ein Eigentor.

Seit 2004 müssen Bauern und Forscher den Anbau von "gentechnisch veränderten Organismen" (GVO) in einem öffentlichen Standortregister bekannt machen. Außerdem müssen GVO-Bauern Schadenersatz zahlen, wenn benachbarte Höfe wegen Pollenflugs ihre Ernte nicht mehr als gentechnik-frei verkaufen können.

Sachsen-Anhalt, das sich als Vorreiterland für Biotechnologie sieht, hatte gegen die Verschärfungen geklagt. Sie stellten quasi ein Berufsverbot für Gentech-Bauern dar. Die Einschränkungen seien aber nicht gerechtfertigt, denn genehmigte GVO-Pflanzen seien nicht gefährlich. Ihre Auskreuzung auf andere Felder sei etwas ganz Natürliches und kein Schaden. Das Standortregister lade Gentech-Gegner geradezu zu Feldzerstörungen ein.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte nun beide Regelungen für verfassungsgemäß. Die Einschränkungen seien zum Schutz von Menschen und Umwelt gerechtfertigt. Die langfristigen Folgen der Gentechnik seien noch nicht endgültig geklärt, Eingriffe ins Erbgut seien nur schwer rückgängig zu machen. Der Gesetzgeber habe deshalb bei der Vorsorge gegen Gefahren "großzügigen Entscheidungsspielraum", so die Richter. Ein Berufsverbot für Gentech-Bauern liege zwar nicht vor, wäre aber durchaus möglich gewesen.

Das Standortregister sei ein "wichtiger Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess" Transparenz wurde von den Richtern damit zum Verfassungswert erklärt. Dagegen müsse das Grundrecht der GVO-Bauern auf informationelle Selbstbestimmung zurückstehen. Das Register habe nicht die Gefahr von Straftaten erhöht, meinen die Richter, da es auch schon vor 2004 mutwillige Zerstörungen gab. Gegen solche Angriffe müsse der Staat mit den Mitteln von Straf- und Polizeirecht vorgehen, nicht mit Heimlichtuerei.

Die neuen Haftungsregeln für gentechnische Verunreinigungen sahen die Richter ebenfalls als unproblematisch an. Es handele sich hierbei um eine Weiterentwicklung der traditionellen Störerhaftung im Nachbarschaftsrecht. Die Regeln ermöglichten ein verträgliches Nebeneinander von ökologischer, konventioneller und gentechnischer Landwirtschaft.

Wohl zum ersten Mal argumentierte das Bundesverfassungsgericht offensiv mit dem 1992 eingeführten Staatsziel Umweltschutz. Das Urteil erging einstimmig. Vorbereitet wurde es von Brun-Otto Bryde, dem ersten von den Grünen vorgeschlagenen Verfassungsrichter. Das Urteil ist zugleich sein Vermächtnis, denn Ende Januar endet seine Amtszeit.

Bisher werden in Deutschland kaum genveränderte Pflanzen angebaut. Das liegt aber auch daran, dass derzeit nur die Genkartoffel Amflora, aus der Industriestärke gewonnen wird, zugelassen ist.

Az.: 1 BvF 2/05

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8 Kommentare

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  • J
    jury

    Wenn ich das schon wieder höre:

     

    "Gentechnik ist im Moment die einzige Chance" [DaJan]

     

    Da wird wieder mal aufgehört zu denken, wo die Medien einem einen einzigen Vorschlag unterbreiten. Dabei ist es nicht so, als könnte unser Planet uns nicht ernähren. Es wird nur nicht verteilt. Ich versuche mal ein paar Möglichkeiten aufzuzählen, mit denen man eine gesunde Ernährung auch ohne Genmanipulation erreichen könnte:

     

    - Reformierung der Subventionen

    -> gibt den Bauern ausserhalb der Festung Europa die Chance wieder mit ihren Produkten zu leben

     

    - Einschränkung des ausufernden Fleichkonsums

    -> jede Kalorie Fleisch, benötigt 7 Kalorien Futtermittel

    -> die riesigen Anbauflächen für Gensoja in Brasilien (welche zu einen bedeutenden Teil der Futtermittelindustrie dienen) könnten dann wieder echte Nahrungsmittel produzieren

     

    - Biodiversität statt Genmais und Gensoja.

    -> Ich wundere mich immer wieder, wie unglaublich teuer Brocolli, Paprika u. ähnliches im Vergleich zu Industriessen wie Cornflakes, Schokolade und natürlich diverse Fleischprodukte sind

     

    Bevor wir als Gesellschaft anfangen, an der DNA von Lebewesen rumzufuchteln, sollten wir lieber die vorhanden Resourcen nutzen, sie verteilen und die bislang benachteiligten Staaten an der Produktion und am Erlös beteiligen.

     

    Das Problem ist nicht die Gentechnik.

    Das Problem ist das System!

  • D
    DaJan

    @ SMT & Sayno:

     

    Zumindest hat sich thiotrix schon mal über das Thema informiert und einen besser recherchierten Kommentar geschrieben, als ihr beiden jemals widerlegen könntet.

     

    Ihr arroganten, satten Deutschen macht euch, kurz nachdem ihr ein reichhaltiges Frühstück mit Bio-Eiern und Bio-Vollkornbrot gegessen habt, darüber Gedanken ob man nicht vielleicht heute auch mal einfach wieder "dagegen" sein könnte, egal wie undifferenziert eure Meinungen auch sind.

     

    Ihr macht mich krank. Gentechnik hat das Potential, Pflanzen zu erschaffen, die höhere Erträge bringen, schlechtere Witterungen und Bodenqualitäten überleben und resistenter gegen Parasiten sind. Das ist vielleicht schwer in eure Köpfe reinzukriegen wozu diese Eigenschaften gut sein sollen - aber ihr habt ja auch genug zu essen! Ich darf euch vielleicht daran erinnern, dass anderswo auf der Welt Menschen im Minutentakt daran sterben, dass sie in überbevölkerten Gegenden ohne Grundlage für eine eigene, gut ausgebaute Landwirtschaft verfügen und sich deswegen nicht ernähren können!

     

    Gentechnik ist im Moment die einzige Chance, die wir als Menschheit haben, auch in Zukunft satt zu werden. Und der erste Schritt MUSS in Industrieländern wie Deutschland gemacht werden. Es gibt ein Rennen um die Gentechnik, und dieses Rennen können wir gar nicht schnell genug gewinnen. Und wenn ihr ernsthaft sauer seid, weil große Firmen daran Geld verdienen, den Hunger in der Welt zu bekämpfen in dem Sie Pflanzen mit besserem Output herstellen wollen - dann entfernt euch bitte aus dem Genpool.

     

    Falls ihr euch doch nochmal ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen wollt, googlet doch mal "Norman Borlaug".

     

    Mit Freundlichen Grüßen

  • S
    SMT

    @ thiotrix:

    Sag mal, hetzt die Genindustrie ihre PR Manager jetzt schon durch die Kommentarspalten kritischer Zeitungen?

  • S
    sayno

    Der Propaganda-Kommentar von "thiotrix" zeigt, dass die multinationalen Gen-Konzerne um ihre Pfründe und Milliarden-Gewinne schon so viel Angst haben, dass sie ihr dümmliches Marketing-Geschwätz jetzt schon in Internet-Foren verbreiten müssen...einfach nur peinlich und armselig!

  • T
    thiotrix

    „Gen-Gefahren“ gibt es nicht!

     

    Keine Technik ist ungefährlicher als die „grüne Gentechnik“. Der Anbau wichtiger gentechnisch veränderter Nutzpflanzen hat weltweit schon riesige Ausmaße angenommen: So werden beispielsweise auf 77 % der weltweiten Sojaanbaufläche gentechnisch veränderte Sojabohnen angebaut, bei Baumwolle sind es 49 %, bei Mais 26 % und bei Raps 21%, Tendenz: weiter steigend. Gefahren, Unfälle oder gar Todesfälle hat es bisher nicht gegeben, trotz des Anbaus auf einer Gesamtfläche von über 100 Millionen ha - dreimal so groß ist wie Deutschland!

    Viele Freizeitvergnügen sind ungleich gefährlicher als die gesamte weltweit eingesetzte Gentechnik! Wenn man die gleichen Maßstäbe wie bei der Gentechnik anlegen würde, müßte sofort der gesamte Autoverkehr, Flug- und Eisenbahnverkehr, der Bergbau und jede andere industrielle Tätigkeit verboten werden, denn alle diese Dinge fordern jedes Jahr Todesopfer: allein der Autoverkehr kosten in Deutschland über 4000 Menschen jährlich das Leben.

    Zur Weiterbildung sei Ihnen ein Buch empfohlen: „Die Panikmacher“ von Walter Krämer und Gerald Mackenthun – äußerst hilfreich zur Unterscheidung von eingebildeten und wirklichen Gefahren!

    Übrigens werden immer mehr Nutzpflanzen gentechnisch verbessert und in vielen Ländern angebaut; neben den USA und Kanada nutzen zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer die grüne Gentechnik, z. B. Brasilien, Indien, Paraguay, Philippinen, Mexiko und Uruguay. Die Anbaufläche von „Genpflanzen“, hier Baumwolle, allein in Burkina Faso ist größer als die gesamte Anbaufläche für „Genpflanzen“ in ganz Europa!

    Gut, daß es vor ca. 10000 Jahren solche Richter wie unsere superschlauen Verfassungsrichter noch nicht gegeben hatte! Damals wagten mutige Menschen die ersten Versuche zum Anbau von Wildpflanzen, begannen die planmäßige Auslese und Weiterzüchtung von ertragreicheren Pflanzen und die Domestizierung von Wildtieren - mithin fing so die moderne Landwirtschaft an. Das Ganze war ein schwerwiegender Eingriff in die „elementaren Strukturen des Lebens“ - und die langfristigen Folgen waren noch nicht abschließend geklärt!“ Auch gut, daß unseren Vorfahren vor ca. 5 Millionen Jahren solche höchstrichterliche Bedenkenträgerei fremd war – sonst wäre vermutlich die Entwicklung des aufrechten Ganges erst einmal gestoppt worden – zu gefährlich, man könnte ja hinfallen und sich verletzen. Auch die Zähmung des Feuers hätte bei so einer Mentalität erst einmal unterbunden werden müssen, da „die langfristigen Folgen noch nicht abschließend geklärt seien“. Mit solchen Argumenten wäre ein wie auch immer gearteter Fortschritt gar nicht möglich gewesen!

  • S
    soso

    " Ihre Auskreuzung auf andere Felder sei etwas ganz Natürliches und kein Schaden"...genau, gvo sind ganz natürlich und in vier wochen wurde der herr mensch oder was??

  • R
    rauhfuß

    Die Bundesverfassungsrichter sind in diesem Staat einige der wenigen, die noch nicht käuflich sind.

     

    Aber BASF, Bayer, Monsanto & Co werden ihre Lobbymaschine weiter laufen lassen.

  • BL
    Berufsverbot? Lächerlich!

    Für keinen Landwirt bedeutet der Verzicht auf Gentechnik eine Gefährdung seiner Existenzgrundlage.

     

    Die Bauern in Sachsen-Anhalt sollten sich lieber ihrer Verantwortung für eine nachhaltige und naturgemäße Produktion gesunder Nahrungsmittel bewußt werden.

     

    Die Klage ist einfach lächerlich und zeigt, in welcher Gedankenwelt die Kläger leben.