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Urteil des BundesgerichtshofsPerlentaucher-Prozess, nächste Runde

Eine Klage von FAZ und SZ bedroht zwar nicht mehr das Geschäftmodell des Webportals, könnte aber im Detail Erfolg haben. Das könnte teuer werden.

Eigene Inhalte gesucht: Webseite des "Perlentaucher". Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Der Bundesgerichtshof hat keine grundsätzlichen Bedenken gegen das Geschäftsmodell des Kulturportals "Perlentaucher". Trotzdem geht der Prozess, den FAZ und SZ gegen den Perlentaucher angestrengt haben, in eine neue Runde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob am Mittwoch ein für das Kulturportal positives Urteil auf und verwies die Sache an das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt zurück.

Der Perlentaucher ist ein Internet-Portal, das täglich die Kulturseiten großer Tageszeitungen zusammenfasst. Er finanziert sich überwiegend über die Werbung, die Verlage auf der Perlentaucher-Seite schalten. Außerdem werden Perlentaucher-"Notizen" - vor allem Zusammenfassungen von Buchrezensionen - an Internet-Buchläden lizensiert. Zunächst war Amazon Vertragspartner, jetzt ist es Buecher.de.

Nur gegen diese Weiter-Lizensierung der Perlentaucher-Zusammenfassungen klagten die Zeitungen. Allerdings stand dabei das gesamte Geschäftsmodell des Perlentauchers auf dem Prüfstand. Denn wenn die Rezensionsnotizen generell urheberrechtlich verboten sind, dann dürfen sie auch nicht auf der Webseite verbreitet werden.

Zentrale Frage in diesem Streit war, ob es sich bei den Notizen des Perlentauchers um eigenständige Werke handelt. FAZ und SZ hatten dies bestritten. Das Portal kürze nur ihre Rezensionen auf einen Bruchteil der bisherigen Länge, übernehme dabei aber alle originellen Formulierungen. Die Zeitungen sahen darin eine unbefugte Vervielfältigung ihrer Texte.

Das OLG Frankfurt hatte die Klage 2007 abgelehnt und schon das Kürzen anspruchsvoller Texte als eigenständige Leistung gewertet. Diese Argumentation erklärte jetzt aber der BGH für "rechtlich falsch", so der Vorsitzende Richter Joachim Bornkamm. "Ein neues Werk erfordert in der Regel, dass das alte dahinter verblasst", betonte Bornkamm einen Grundgedanken des Urheberrechts.

Der Perlentaucher hatte im Prozess aber betont, dass er die Rezensionen nicht nur kürze, sondern "in eigenen Worten" wiedergebe. Gegen dieses Konzept hat nun auch der BGH keine Einwände. "Geschützt ist im Urheberrecht nicht der Inhalt eines Textes, sondern nur dessen sprachliche Gestaltung", sagte Bornkamm.

Die Zeitungen hatten in ihrer Klage 20 Perlentaucher-Notizen angeführt, die ihrer Meinung nach gegen das Urheberrecht verstoßen. Diese 20 Fälle muss nun wieder das OLG Frankfurt prüfen, weil der BGH nur für Rechtsfragen zuständig ist. "Es kommt jetzt ganz auf den Einzelfall an", so Richter Bornkamm.

Und dann las Bornkamm eine Notiz vor, die nach seiner Analyse fast nur aus Bestandteilen der Original-Rezension besteht. Zumindest teilweise dürfte der Perlentaucher am Ende also wohl verurteilt werden. "Das wäre für uns ärgerlich, weil wir dann auf einem Teil der Prozess- und Gerichtskosten sitzen bleiben", sagte Thierry Chervel, der Gründer des Perlentauchers, nach der Verkündung zur taz.

Az.: 1 ZR 13/08

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4 Kommentare

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  • HR
    Harald Richter, München,

    Ein wesentlicher Punkt zu den Buchbeschreibungen ist, ob die Texte im Umfeld zu Buchwerbungen und/oder der Verlage dazu erschienen sind. Zudem: Wer hat die Texte letztendlich (!) tatsächlich finanziert, was die Anzeigenkunden dazu sein können, selbst wenn die Verlage es als Zugaben zum Anzeigenaufkommen bezahlt haben. Dann können nämlich die Zeitungen nicht als >Besitzer< der Texte auftreten. Es handelt sich dann wohl eher um >dafür gefertigtefrei zugängliche< Texte des Public Relations der werbenden Verlage, auch wenn Dritte (die Zeitungen) die PR-Texte organisiert haben sollten, aber eben dann als PR-Texte und nicht als Journalismus. Dann wären diese Texte zum Zweck der freien Verbreitung geschrieben worden, als Werbetexte für Buchverkäufe oder allgemeine Buchverlags-Imagewerbungen zu Umsatzsteigerungen.

     

    Dies alles einmal davon abgesehen, von dann auftretenden Fragen von Missbrauch von Kartellrechten (z.B. Art. 81, 82 EG), die dann neben Fragen zu Preislistentreue der Zeitungen im Raum stehen. Nämlich u.a.: >… Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ist … der an den Abschluss von Verträgen geknüpften Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen …

  • R
    reblek

    Lizensierung" und "lizensieren" gibt es laut Duden in der deutschen Sprache nicht. Beide Begriffe stammen ab von "Lizenz", weshalb es "Lizenzierung" und "lizenzieren" heißt.

  • IN
    Ihr Name GunterKrass

    Hier wird bei unseren Oligarchen in Politik, Justiz und Medien etwas Grundsätzliches deutlich. Perlentaucher, blogs, tubevids, all das ist von den systemrelevanten Führungsschichten nicht mehr in die Pandora-Büchse des internet zurück zu stopfen. In sekundenschnelle bekommt das System Antworten zurück aus dem internet, die sie nie hören wollten. Also wird mit der üblichen Rabulistik bei den systemrelevanten Gerichten der Feind der Eliten, der vorlaute Normalo, in die Insolvenz getrieben. Das klappt vorzüglich. Interessant auch, dass bei SZ und FAZ nicht die Bohne von Schamgefühl herrscht.

  • P
    Parizifal

    Gegen kreative Geschäftsmodelle wie Perlentaucher wettern natürlich die konservativen Unternehmen. Das bloße Übernehmen anderer Inhalte, sollte verboten bleiben, aber das Zusammenfassen und Rezensieren ist eine Bereicherung im Informationsüberfluss im Net.

    Doch statt der Konkurrenz zu begegnen, sichern sich alteingesessene Unternehmen ihre Umsätze mit Gesetzen und mit Zivilklagen.

    Mit dem Staat gegen unliebsame Konkurrenten.