Urlaub vom Auto: Bodenständig in die Natur
Es gibt sie: die klimaschonenden Alternativen zur Flugreise und zum Autourlaub. Ob mit der Bahn zum Nationalpark, im kostenfreien Nahverkehr durch den Schwarzwald oder den Spessart.
In der aufgeheizten Debatte um Klimawandel und Tourismus gilt Fliegen als Umweltsünde und das Flugzeug als Klimakiller. Die Billig-Airlines führen mit ihrem Angebot von Urlaubs-Quickies noch zu einer Ausweitung des Flugverkehrs. "Selbst deutsche Urlaubsziele wie das Sauerland, Allgäu oder Bodensee setzen mittlerweile auf regionale Flughäfen und werben mit schneller Erreichbarkeit", kritisiert Regine Gwinner, Chefredakteurin der Zeitschrift Verträglich Reisen. Dabei wird leicht übersehen, dass es umwelt- und klimaschonende Alternativen zur Flugreise und zum Autourlaub gibt.
Zum Beispiel "Fahrtziel Natur" (www.fahrtziel-natur.de), die gemeinsame Kampagne der Deutschen Bahn mit den vier großen Umweltverbänden BUND, NABU, dem VCD und dem WWF. Der Zug zur Natur fährt in 16 deutsche Großschutzgebiete - Nationalparke, Biosphärenreservate und Naturparke - sowie seit kurzem zum Schweizerischen Nationalpark in Graubünden.
Zunächst war das "Bahn trifft Natur"-Projekt eine reine Informationsplattform für Bahnfans und Naturtouristen. Inzwischen finden Interessenten auf der Webseite neben Ausflugstipps, Besucherzentren, Ländertickets und Touren "Auf eigene Faust" Links zu 150 konkret buchbaren Ein- und Mehrtagesangeboten für Naturreisen. Zum Beispiel die Pauschale "Paddel und Pedale", sieben Tage mit Rad und Kanu durch den Müritz-Nationalpark. Oder sechs Tage "Auge in Auge mit der Raubkatze" im Nationalpark Harz. Wer mit der Bahn anreist und seinen Fahrschein vorzeigt, erhält 10 Prozent Rabatt auf den Reisepreis, den auch in anderen Fahrtziel-Naturregionen einige Hoteliers gewähren. Die Anreise mit der Bahn in die Naturräume klappt - meist mit Umsteigen - problemlos, dagegen mangelt es in den bevölkerungsschwachen Regionen selbst häufig an ausreichenden Mobilitätsmöglichkeiten.
Wie zum Beispiel im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. Verlässt der Naturtourist die Bahn in Boizenburg, Hitzacker oder Wittenberge, steht er in puncto Nahverkehr auf dem Schlauch. Am besten bringt er sein eigenes Rad mit oder leiht sich eins für Ausflüge entlang der Elbe. Dagegen kann sich der Besucher im Nationalpark Bayerischer Wald mit den Regio-Shuttles der Waldbahn und den erdgasbetriebenen Igelbussen gut fortbewegen oder im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen das enge Netz des Nahverkehrs nutzen. "Fahrtziel Natur" geht in die siebte Saison und hat jüngst in Österreich einen Kopisten gefunden: "Fahrziel Natur". Ganz frisch wandeln dort die Österreichischen Bundesbahnen gemeinsam mit dem World Wide Fund for Nature und dem Maskottchen Ötscher-Bär auf den Spuren der Natur.
Kostenfreier Nahverkehr
Freie Fahrt für Urlaubsgäste? Das ist kein Marketing-Geschwätz, sondern ist - "Konus" sei Dank - im Schwarzwald wahr geworden. Konus heißt in Langform: Kostenfreie Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs für Schwarzwaldurlauber (www.konus-schwarzwald.info) Über 6.000 Unterkunftsbetriebe in 105 Gemeinden bieten ihren Gästen diesen Service an. Jeder Urlauber, der sich dort bettet und Kurtaxe zahlt, kommt in den regionalen Mobilitäts-Genuss. Durch die Konus-Gästekarte können Urlauber mit Bussen und Bahnen kreuz und quer durch den Schwarzwald juckeln. Neun Verkehrsverbünde im Schwarzwald machen mit - nur im Stadtverkehr von Karlsruhe und Pforzheim bleibt Konus außen vor. "Einfach einstigen und losfahren" lautet die Parole, das System ist transparent, keiner muss sich mehr um Tarifgrenzen scheren und ständig das nötige Kleingeld parat haben. Das Angebot ist besonders attraktiv für Wanderer, die in der Region mobil sein wollen. Sie müssen jetzt nicht mehr rund um den Wanderparkplatz laufen, sondern können Strecke machen.
Wie rechnet sich das bloß? Der Gast zahlt in den beteiligten Orten eine um 31 Cent erhöhte Kurtaxe. Damit finanziert sich der "Freifahrschein". Die Verkehrsverbünde erhalten anteilig pro Tag und Gast genau diese 31 Cent. Für 2008 können sie mit einer Ausschüttung von etwa 2,4 Millionen Euro kalkulieren. Für Christopher Krull, Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH, ist Konus "ein einmaliges Angebot in einer touristischen Großregion. Es bedeutet einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Urlaubsregionen." Der Zuspruch der Gäste sei gewaltig. Krull schätzt, dass inzwischen rund 80 Prozent der Gäste im Urlaub ihr Auto stehen lassen. Seit kurzem wirbt auch die Ferienregion Spessart-Main-Odenwald mit einem Klima-Ticket. Jeder, der mit der Bahn anreist, kann während seines Urlaubs Busse und Bahnen am Bayerischen Untermain kostenlos nutzen (www.spessart-touristinfo.de)
Sanftes Tourismuskonzept
Werfenweng im Salzburger Land ist seit Jahren Vorreiter für ein anderes, sanft-mobiles Tourismuskonzept (Samo). "Urlaub vom Auto und trotzdem mobil sein" lautet die Überzeugungsstrategie; Enthastung, Belohnung statt Verbote, Verzicht aufs Auto als Erlebnisgewinn sind die Argumente. Wer mit der Bahn anreist, wird vom Bahnhof Bischofshofen im Shuttle abgeholt, wer seinen Autoschlüssel beim Tourismusverband an den Nagel hängt, erhält für 5 Euro den Samo-Vorteilspass. Damit kann der Gast Elektrofahrzeuge oder Räder ausleihen, im Anruftaxi oder Nachtmobil fahren und für den Ausflug ein Hybridauto nutzen. Im Winter kommen Schibus, Pferdekutsche und Lamatrekking zum Zug. Der Mut zum Experiment wurde belohnt: Seit 1998 sind die Übernachtungszahlen stetig gewachsen, der Imagegewinn ist beträchtlich, Umwelt- und Verkehrspreise prasseln auf das Dorf ein. Im Modellort Werfenweng wurde vor zwei Jahren auch die Marketinggesellschaft "Alpine Pearls" (www.alpine-pearls.com) gegründet. Inzwischen gehören dem touristischen Netzwerk 22 Orte in sechs Alpenstaaten an, darunter die Gemeinden Berchtesgaden und Hinterstoder, Arosa und Les Gets, Pieve di Cadore und Bled. In jeder Alpenperle gilt dasselbe Qualitätsversprechen: genussvoller Urlaub ohne Auto mit Mobilitätsgarantie vor Ort. Umweltfreundliche Fortbewegung statt Blechlawinen. Dazu werden Verkehrsnetze ausgebaut, Gästekarten oder Mobilcards angeboten, sanft-mobile Urlaubspauschalen entwickelt. So weit, so gut. Doch manche Perlen wie das italienische Chamois sind nur schwer, also umsteigeintensiv und zeitaufwändig, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.
Erdgebundene Reisen
Wie man in die Ferne schweifen kann und trotzdem am Boden bleibt, das führt der BUND Naturschutz Service mit seinen Gruppenreisen in Nationalparke und Kulturlandschaften beispielhaft vor (www.bund-reisen.de). Ob zu den Faröer-Inseln und nach Island, ob ins Donaudelta nach Rumänien, ob zum Kaukasus nach Georgien oder an die Seidenstraße nach Kirgisien: Mit seinen Angeboten setzt der BUND, dessen Reisebüro in einem stillgelegten, umgebauten Bahnhof in Lauf bei Nürnberg seinen Sitz hat, ausschließlich auf erdgebundene Reisen, also auf die Bahn und für Wasserquerungen auf die Fähre. "Das Fliegen überlassen wir den Vögeln", sagt Benedikt Bisping, Geschäftsführer und Reiseleiter vom BUND, mit Inbrunst. "Mit unseren Reisen wollen wir zeigen, dass es auch anders als mit Auto und Flugzeug in den Urlaub gehen kann und vor allem dass es Spaß machen kann." Für nächstes Jahr gibt Bisping das hochfliegende Ziel aus, erster klimaneutraler Reiseveranstalter der Welt zu werden, also sämtliche CO2-Emissionen der BUND-Reisen zu kompensieren. Für Individualreisende ist die Suche nach sanft-mobilen Angeboten dennoch oft eine Herkulesaufgabe. Eine Flugreise zu buchen ist ein Klacks gegenüber der Buchung einer Bahn- und Schiffsreise zum Beispiel von Herne nach Korsika. Aber auch das geht! Einen vorzüglichen Service bietet die Initiative "Zügig durch Europa" des Verkehrclubs Deutschland (www.vertraeglich-reisen.de/anreise-zug). Darin findet man die wichtigsten Bus-, Fähr- und Zugverbindungen mit Übersichtskarten und vielen Zusatzinfos für den klimaschonenden Weg ans Urlaubsziel.
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