■ Urdrüs wahre Wochenkolumne: Räuber & Musikanten
Seit Wochen wird das Volk von allen Plakatwänden und in großformatigen Zeitungsanzeigen mit dem Slogan „95 Prozent der Bundesbürger fühlen sich von ihrer Fernbedienung verraten“ für den 1. Oktober zur Revolte gerufen. Wenn die dafür mutmaßlich verantwortlichen Burschen von der Bundespressestelle aber jetzt meinen, dass die enttäuschten Rot-Grün-Wähler ihr Pulver heute auf diesem Nebenschauplatz verballern, werden sie den Irrtum wohl spätestens nach den Berliner Wahlen zu spüren bekommen.
Den Tatbestand arglistiger Täuschung erfüllt die Berichtigungsanzeige zu einem Inserat der hiesigen Citroen-Niederlassung im Bremer Anzeiger: „Die in unserer Anzeige angekündigte Modenschau sowie der Ausschank von Bier und der Verzehr von Würstchen findet aus organisatorischen Gründen nicht statt. Wir freuen uns auf ihren Besuch!“ Was für ein Bubenstück...
Auch mit seinem neuen Domizil auf einem Berliner Zeltplatz macht sich der Bremer Sozzen-Parlamentarier Konrad Kunick wieder einen bundesweiten Namen als der rustikale Dauercamper von nebenan. Im Interview mit der Süddeutschen formuliert Kunick auf die Frage nach dem Verhältnis zu den Nachbarn beiläufig seine Image-Positionierung im politischen Marketing: „Die merken schnell, dass ein Abgeordneter auch nur ein Mensch ist!“ Am Ende gar einer, der seinen Stellplatz verkommen lässt, nachts mit den Kumpeln auf leer getrunkenen Beck's-Kisten herumgrölt und heimlich Gäste beherbergt, ohne beim Platzwart den Zuschlag zu zahlen: So, genau so, werden alle Bemühungen konterkariert, für den Besuch von Bleikeller, Jekyl & Hyde und Böttcherstraße zu werben. Ob Conny sich bitteschön diesen Hinweis über den Rasierspiegel in der Nasszelle seines Wilk-Caravans hängt?
Schweres Geschütz fährt das Bremer Wahlprüfungsgericht angesichts der Wahlanfechtung durch den Bürgermeisterkandidaten Propper gegen den Verein 99 für Lebensfreude & DADA auf: Statt den Urnengang im gewünschten Sinne zu hinterfragen, unterstellt Vorsitzender Stauch in seiner Antwort sogar den „offensichtlich unternommenen Versuch einer Wahlfälschung“ seitens der Weberstraßen-Gang. Wir halten dagegen: Ein dreister Versuch der Einschüchterung, den das Volk mit noch eifrigerer Beteiligung am V 99-Projekt „Obstler trinken für den Frieden“ beantworten wird!
Geschlechterdiskriminierend zeigt sich einmal mehr der Weserkurier in einer Fotoreportage über stinkende Kanalsysteme in Hemelingen: Während die abgebildeten Männer ihre kritischen Würdigungen der Geruchsschwaden mit entschlossener Miene mutig und direkt am Kanaldeckel vortragen, rümpfen die Mädels ihre damenhaften Nasen aus feiger Distanz, halten sich dabei gar die Nasenlöcher zu. Welches Frauenbild wird hier von Redakteur Wigbert Gerling transportiert? Welches Bild vom harten Macho versucht er zu verstärken? Belladonna, übernehmen Sie!
Wenn irgendwo ein Straßenmusikant an der Sögestraße zwischen seinen Darbietungen zur Buddel Korn greift, um die mangelnde Resonanz beim Publikum besser ertragen zu können, jault die halbe Kaufmannschaft von Verwahrlosung und Belästigung und tut, als ob den Krämerseelen die Stadt persönlich gehören würde. Heute und morgen aber inszeniert die „City Initiative Bremen Werbung“ ein Stadtmusikanten-Festival mit Marschkolonnen zum Marktplatz, um dort die Räuber zu vertreiben. Oweh, du böse Welt, deren Gerechtigkeitslücken nur noch das solidarische Bündnis von Räubern und Musikanten gegen die hanseatischen Pfeffersäcke beseitigen kann. In diesem Sinn: Kürzt die Ladenöffungszeiten!
Zur musikalischen Abrundung meines heutigen GaDeWe-Programm zur Berliner Republik suche ich dringend eine Tonband-Cassette der legendären TAZ-Schallfolie mit dem Deutschlandlied in der berüchtigten Rathaus-Schöneberg-Version: Wer dieselbe zur Steigerung der kollektiven Erlebnis-Qualität mitbringt, erhält diverse Gratisbiere! Dies ist kein Bündnis 90-Wahlversprechen zum Atomausstieg, sondern eine verlässliche Zusage von
Ulrich „Jungpionier“ Reineking
PS: Herzliche Grüße an Abbas. Wird schon klappen!
40.000 mal Danke!
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