■ Urdrüs wahre Kolumne: Prognose: Heißer Herbst
In der Residenzstadt Bückeburg, also direkt zu den Lotosfüßen von Prinzessin Lilly zu Schaumburg-Lippe, wurde dieser Tage dem Heimwerkermarkt OBI ein Brand mit einer Schadenhöhe von lütten 20 Millionen Mark gestiftet. Und der Feuerteufel war keineswegs der im Wettbewerb unterlegene Fachhändler Eisen-Karl oder Farben-Hugo, sondern ein OBI-Angestellter, der mit seiner sozialen Lage unzufrieden war. Die soziale Frage stellen, heißt, nach Antworten zu suchen: Muß das nicht auch der Mercedes-Leitung in Bremen zu denken geben bei der Auseinandersetzung um Lohnfortzahlung im Krankheitsfall? Prognose: ein heißer Herbst!
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Da und dort ein paar Bürgerfeste zum „Tag der Deutschen Einheit“ gab es, zum Teil höchst halbherzig organisiert von öffentlichen Bediensteten, die durch den Solidarbeitrag auf dem Gehaltsausdruck monatlich neu in Liebe zu Sachsen, Mecklenburgern und Thüringern entflammen und sich ausgerechnet haben, daß spätestens nach achteinhalb Jahren Einheit ein Kleinwagen in pommerschern Sümpfen versackt sein wird. Wieviel mehr Begeisterung spricht doch aus dieser Anzeige von „Dettmer's Grillstube“ zum nationalen Feiertag: „Sülze! Eisbein! Grützwurst! Und noch alles gegen Durst! Deftig deutsch zum Tag der Deutschen Einheit essen und trinken/bis wir in die Federn sinken!“
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Apropos Einheit. Wie sehr auch junge und jüngste ausländische Mitbürger bereits im Zusammengewächshaus wohnen, belegt eine auf der Skateboardanlage gehörte Verbalinjurie, mit der ein vielleicht zehnjähriger Türke seinen gleichaltrigen Landsmann bedachte, nachdem ihm dieser den rasanten Abgang durch Im-Wege-Stehen vermasselt hatte: „Scheiß Ostkartoffel!“
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Mal wieder die Diskretionszone nicht beachtet und mitgehört in der Sparkassen-Schalterhalle: „Aber glaubense mir, die Überweisung ist vorgestern rausgegangen, das Geld muß doch spätestens morgen da sein, da werdense mir doch 200 Mark geben können!“ So insistiert die flotte Dreißigerin, doch der Herr hinter dem Counter gibt sich eisenhart: „Is klar, is klar. Aber da sind eben die Schatten der Vergangenheit, junge Frau. Da müssense schon mit einer Pistole kommen, damit ich hier was rausrücke!“ Nennt man solche Empfehlung Service? Kundenberatung? Oder will man hier den Helden spielen, in treuer Pflichterfüllung dreispaltige Nachruf-Annoncen herauszukitzeln? Wir meinen: etwas überzogen.
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Nicht billigen kann der ökologisch denkende Zeitgenosse den Kuhfladen-Anschlag auf den wegen Mobbing ins Gerede gekommenen Uniprofessor Dieter Schwiering. Wissen die Anschläger denn nicht, daß Rinderkacke ein kleines Biotop darstellt? Lebensgrundlage für Fliegen, Würmer und anderes Getier? Worunter durchaus auch, das mal unter uns Buddhisten gesagt, der Großvater oder die Ahnfrau eines Opfers dieses ungeliebten Profs sein könnten. Wie elend müssen die sich dann fühlen, so ganz allein mit dem Peiniger ihrer Nachfahren? Lassense sich also was anderes einfallen!
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Welche Art ZeitGeister und TrendBurger mögen sich wohl zu einer „PositHIV Vibrations House Party“ zugunsten der AIDS-Hilfe ins Modernes gerufen fühlen, die im Hausmagazin „date“ so angekündigt wird: „Als Special wird eine Talk & Spend-Lounge eingerichtet, in der sich Gäste zum Smalltalk treffen können ... Im Foyer besteht die Möglichkeit, sich mit Red Ribbon Devotionalien, Kondomen und Infos einzudecken oder sich live im Queer Internet zu tummeln“. Howard Carpendale spielt immer Golf für die armen Menschen dieser Welt.
Anerkennt in jedem Fall
Ulrich Reineking etc.
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