■ Urdrüs wahre Kolumne: Macho auf Rezept
Mit Gesang wird gekämpft. Und weil der Mensch, namentlich der sozialdemokratische, ein Mensch ist, liebt er neue Shanties sehr. Auf einer privaten Wählerverwöhnparty für den gehobenen Mittelstand becircte der gebenedeiten Putzfrau Schröder ihr Sohn Gerhard jetzt im niedersächsischen Schloß Arensburg das einschlägige Klientel mit der abgeklärten Formel „Wir sind besser und nicht nur gut wie die anderen“ sehr diskret. Die kämpferische Note aber brachte der Schlagersänger Martin Mann ins Spiel, der vom gastgebenden Chef eines Finanzkonzerns eigens dafür engagiert worden war: „Er ist bereit!“ röhrte der One-Hit-Troubadour von einst (“Meilenweit“) die Lobes-Hymne für den Kandidaten von seiner neuen CD „Macho auf Rezpet“. Die steuersparwütigen Zahnärzte und Rechtsanwälte aus der neuen Mitte zeigten sich von diesem Mix jedenfalls voll überzeugt. Es gibt also auch neben dem Gebrauchsgrafiker Klaus noch Kulturschaffende für die SPD!
Auf der oberen Etage eines fast menschenleeren Cafés ordere ich ein Stück Käsesahne mit einem Mokka dazu und entnehme der Lesemappe zwei Illustrierte zwecks ergänzender Information. Ein älterer Herr mit Hanns-Martin-Schleyer-Lippen, mit mir der einzige Besucher, moniert daraufhin über drei Tische hinweg lautstark, ohne mich direkt anzusprechen, daß es unfair und egoistisch sei, wenn einer alle Hefte blockiere. Im Bemühen, die Sache friedlich ausklingen zu lassen, verweise ich auf den denkbar geringen Kreis anderer Nutzer und biete an, zunächst ihm die Magazine zukommen zu lassen. „Es geht ums Prinzip“, hat er dann noch gesagt, zornbebend seinen Lodenmantel genommen und ist wortlos gegangen. Prinzipiell hätte ich seinen zurückgelassenen Windbeutel ja gern gegessen, aber wahrscheinlich war der Geschmack von Philologenverband, Welt am Sonntag und Handelsgold-Zigarre schon voll in die Sahne gezogen. Brrr ....
Daß der liebe Detlef nun doch um den Lohn für seine Männerfreundschaft mit Grobi gebracht wurde, sollte bei der CDU nicht zu viel Freude auslösen. Wer dem besten Kumpel die Treue bricht, wie sollte der sein Wort halten, wenn es darum geht, den Kameraden der anderen Feldpostnummer bei der sozialverträglichen Entsorgung personeller Altlasten zu helfen? Nie vergessen: Konsum und Neue Heimat existieren nicht mehr, und der Schlick der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft ist zwar breit, aber nicht tief!
So klingt der Ernst des Lebens auf den Muntermacherradiowellen morgens um sieben, wenn für den Frühaufsteher die Welt eigentlich noch in Ordnung ist: „Tja, und feierst Du dann Deinen Geburtstag heute mit Deinem Freund? Wie, Svantje, is' nich' mehr, wieso denn? Nja, das is' mal ein Timing. Rast der vor Deinem Zwanzigsten aus der Kurve, direkt ins Krankenhaus. Sachen gibt's. Okay. Dein Musikwunsch. Hier ist er. Flieg, junger Adler, flieg!“ Bei Kuli wäre das nicht passiert.
Eine Elterninitiative wendet sich an den Endesunterzeichnenden mit der Bitte, an einem bunten Abend als Moderator mitzuwirken. Gerührt über so viel Vertrauen ist der rampengeile Komiker schon geneigt, dem Wunsche zum absoluten Discount-Tarif zu entsprechen, da liest er auch noch das Postscriptum des Briefes: „Wir hoffen auf eine umgehende Zusage, da Sie sich wiederholt für Reformen im Bildungswesen und gegen Stellenabbau im pädagogischen Sektor eingesetzt haben.“ Damit kann und will ich nicht gemeint sein. Was habe ich nur falsch gemacht?
Nachdem ich mich aus zärtlicher Verehrung für Sarah Wagenknecht und im ehrenden Gedenken an Rio Reiser dazu durchgerungen habe, die Anhänger meiner privaten Partei zur Wahl der PDS aufzufordern, mit Erststimme für eventuell kandidierende Bewerber der APPD, nachdem also für mich alles eigentlich klar ist für den nächsten Urnengang, da rüttelt mich mitten auf der Straße ein Vertreter der Roten Jugendliga auf und überreicht mir eine Art Wahlschein. Darauf sind alle Parteien und Wählervereinigungen aufgeführt und bereits mit einem roten Querstrich versehen. Nur unten ist ein Kästchen freigelassen, mit SpitzenkandidatInnen Marx, Engels, Luxemburg und Trotzki unter dem Listennamen REVOLUTION JETZT. Hab ich natürlich als sentimentaler Senior aller roten Jugendlichen dieser Welt sofort angekreuzt. Ob ich damit am Ende meine Wählerstimme schon abgegeben habe? Hoffentlich kann der Landeswahlleiter Klarheit schaffen für
Ulrich „Redsox“ Reineking
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