■ Urdrüs wahre Kolumne: Anschlagsrelevante Subjekte
Wer sich am Flughafen durch die Sicherheitskontrollen begibt und seinem Ruf als Scherzkeks gerecht werden will, der sagt in der Schlange der Wartenden schon mal in gespielter Vorfreude: „Endlich mal etwas Körperkontakt mit einem strammen Burschen...“ In diesem Sinne äußerte sich kürzlich vorm Abflug nach Frankfurt auch eine Dame direkt hinter mir: Um die 80, den Gehstock in der einen Hand und den hilfreichen Zivildienstleistenden an der anderen Seite. „Auf zur Mumienschändung!“ frohlockte daraufhin ein mutmaßlich der Businessclass zugeordnetes gutgelauntes Arschgesicht im feinsten Langeweilerzwirn und provozierte damit die blitzgescheite Reaktion der Lady: „Sie sehen ja aus wie der Perschau. Und Ihr Ticket bezahlen Sie bestimmt nicht selber.“ Wäre dieser Schnack die Quintessenz der Lebensweisheit meiner Mitreisenden, man sollte ihr die Emma-Goldmann-Medaille verleihen und ein Ruderboot im Bürgerpark nach ihr benennen!
Wer das diesjährige Eiswett-Zeremoniell live am Punkendeich oder bequem im Fernsehsessel beobachtet hat, der weiß immerhin mit Sicherheit, daß die Weser nicht steiht, sondern geiht. Ansonsten hat das Ritual an Unterhaltungs-wert verloren, wie der Blick auf das gelangweilte Publikum außerhalb der Ehrengastreviere verriet, das eben nicht mit üppigen Schnapsrationen eingestimmt wurde: Könnte man die Attraktivität der Tradition nicht einfach dadurch erhöhen, daß alljährlich ein besonders deklassierter Promi ohne Zuhülfenahme der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger mit dem Bügeleisen über den Fluß geschickt wird? Vermutlich wäre in diesem Jahr der gefallene Vorstadt-Titan Günter Niederbremer in europablauer Badehose erste Wahl gewesen: back to the roots.
Toll, daß mit Ayatollah Ralfman Borttscheller in der Bremer CDU ein Garant dafür vorhanden ist, daß die Unterschriftensammlung „Kanaken raus“ im kleinsten deutschen Bundesland trotz Wahlkampf und personeller Schwachbrüstigkeit durchgeführt wird. Wenn es dann noch einem verwegenen Kommando gelingen sollte, die kompletten Listen einzusacken, hätten wir endlich mal ein Gesamtverzeichnis anschlagrelevanter Subjekte zwischen Huchting-Süd und Overniggeland für Klingelstreiche und Artverwandtes. Interessant wäre auch der Datenabgleich mit den „Neuschreibgegnern“ und den Mitgliedern des ADAC, um die Hardcore-Schnittmenge des groben Unfugs zu ermitteln.
Daß der vom Vulkan-Zusammenbruch in die Langzeitarbeitslosigkeit getriebene Speckjäger Friedrich Hennemann mit seinem zusätzlichen Pensionsbegehren gescheitert ist, kann nur vordergründig Anlaß zur Freude geben. Zum einen erschwert es die konsequente Denunziation des bürgerlichen Staats als Beutegemeinschaft mit grenzenloser Haftung und zum anderen beschwört es Magengeschwüre bei all jenen Angstneurotikern herauf, die den Öffentlichen Dienst bislang als letzen Hort ewiger Sicherheiten begriffen haben: Kann das im Interesse der Kostendämpfung im Gesundheitswesen sein?
Daß nur jene acht bremischen Sozialhilfeempfänger das gekürzte Weihnachtsgeld in voller Höhe erhalten, die gegen diesen Griff in die Tüte geklagt haben, mag mancher Dreitagebart-Humanist als Unrecht empfinden – vom Standpunkt der kämpferischen Dialektik aber ist es die einzig richtige Lektion: Wer sich nicht wehrt, liegt voll daneben. Eine Einsicht, die kurz vor Erhöhung des Bierpreises und weiteren Einschränkungen beim Wochenendticket der Bahn gerade rechtzeitig popularisiert wird!
Nachdem die jüngsten CIA-Aktionen im Irak den guten alten Anti-Amerikanismus bestätigt haben, darf auch mal wieder die klassische Verschwörungs-Theorie bemüht werden: Hat nicht Hans Koschnik als der gute Mensch von Mostar durch sein pures Vorhandensein so manche Geheimstrategie der USA auf dem Balkan beeinträchtigt? Und muß da nicht gefragt werden, wie der sonst so standhafte Genosse Hans auf den Treppenstufen von Radio Bremen derart zu Fall kam, daß er jetzt das Bett hüten muß?, fragt sich und Euch mit besten Genesungswünschen
Ulrich „Counterspy“ Reineking
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