■ Urdrüs wahre Kolumne: Humane Muffeligkeit
Taz-Redakteure können es sich im Zeitalter von Converse und anderen Teeny-Beutelschneidereien rein wirtschaftlich kaum leisten, Kinder zu zeugen. Dieser simple Umstand hindert sie dann an der Wahrnehmung der Realitäten, und so wird viel Häme über einen redlichen Vater ausgegossen, der auch als Didaktikprofessor an der Uni nicht vergißt, daß er eine Tochter hat, die er gern aus den Haushaltskosten heraushaben möchte. Dann ein wenig für ihr berufliches Fortkommen zu sorgen, damit die holde Fee ihre Schuhe bald selbst finanziert? Im Ernst kann daran nur Anstoß nehmen, wer sich Elternschaft versagt oder die eigene Brut gleich in der sozialen Hängematte ablegt. Deshalb Solidarität mit dem Doktor- und Heldenvater Stefan von Aufschnaiter. Auch der Schreiber dieser Zeilen würde legal, illegal, scheißegal alles tun, um die Kinder in die öffentliche Stütze zu bringen!
Langsam muß man sich Gedanken darüber machen, daß Bremen zum Ziel militärischer Aktionen zur Wahrung der Menschenrechte ukrainischer Handelsreisender wird. Nachdem gerichtlich festgestellt wurde, daß diese hierzulande unter die Räuber, sprich unter die Polizisten fielen, weigern sich die fiesemiesen Buletten immer noch, ihre Goldkettchen und Porsches zu versilbern, um die round about 35 Mille Beute zurückzuzahlen. Die verurteilten und einschlägig vorbelasteten Schweinepriester handelten unbestreitbar zwar nicht in Ausübung, aber immerhin während Ausübung ihres Dienstes – und daß das Land Bremen als Dienstherr nicht wenigstens für sein Personal geradesteht. Das in der Tat wirft ein Licht auf die Verhältnisse in diesem Bundesland, das sich immer noch rühmt, Heimstatt der tierisch räubertrotzenden Stadtmusikanten zu sein, dann aber gern darüber hinwegtäuscht, daß diese nie so recht in Bremen angekommen sind. Eine Sauerei, für die Frau Herrgott selbst die Stadt mit Werder-Absturz und Space Park strafen wird!
Seit die scheißenfreundliche Terrorphilosophie „der großen WAL MART-Familie“ auch in Bremen krampfadrige Kassiererinnen zwingt, junge Schnösel beim späten Einkauf mit einem Dauergrinsen zu bedienen, freut man sich umso mehr der zutiefst humanen Muffeligkeit etwa jener Verkäuferin, die mich an der Kasse eines eingeborenen Lebensmittelmarktes ungehalten auffordert, beim Einkauf nicht so viele verschiedene Mineralwasser zu wählen: „Nehm 'se sich 'ne Kiste von einer Sorte und gut is'. Da kommt man ja ganz durcheinander mit den Preisen und is' doch sowieso alles die gleiche Plempe.“ Sie hat ja so recht!
Bremen verstaatlicht seinen Weinhandel. Das kann teuer werden, wenn man an die vielen großkoalitionären Saufnasen denkt, die jetzt bei Reisen an die Mosel, nach Südfrankreich und womöglich Kalifornien zur Kennerschaft geführt werden. Und am Schluß reichen sie einen Rentenantrag wegen Leberschaden ein und verabschieden sich mit einem Wochendeputat von zwei Kisten Beaujolais...
Mit Optimismus kann es jeden NATO-Gegner erfüllen, mit welcher Ernsthaftigkeit sich derzeit junge Menschen im Awas-Keller an der Aktion „Saufen für den Frieden“ beteiligen. Aber: Heraus aus dem Souterrain des Widerstands, hin zur Belletage des Goetheplatzes, wo man morgen mit dem klitzekleinen Gysi einen klitzekleinen Mut- und Muntermacher gegen NATO, Bundeswehr & Co. trinken kann. Und wenn die Büttel des Ralfman Borttscheller noch einmal die PDS-Spitzenkandidatin Martina Renner belästigen, setze ich mich ins Klepperfaltboot, taufe es „Panzerkreuzer Aurora“ und stürme das Winterpalais. Verspricht dieser Stadt am und im Fluß
Ulrich „Likedeeler“ Reineking
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